Frühchen haben immer bessere Chancen

Heute überleben viel mehr Frühgeborene als noch vor 40 Jahren. Der Personalmangel in den Spezialkliniken ist allerdings ein Problem. Müssen Perinatalzentren zusammengelegt werden?

Hohe Überlebensraten - doch es ist noch viel zu verbessern

Heute überleben viel mehr Frühgeborene als noch vor 40 Jahren. Der Personalmangel in den Spezialkliniken ist allerdings ein Problem. Müssen Perinatalzentren zusammengelegt werden?

Frühchen sind die größte Patientengruppe im Kindesalter: Rund 60.000 Babys kommen jedes Jahr in Deutschland vor der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt. Die gute Nachricht: Die Überlebensrate der Frühgeborenen ist kontinuierlich besser geworden.

"Es ist total erfreulich", sagt Wolfgang Göpel, Leiter des Deutschen Frühgeborenen Netzwerks. Das vom Bund geförderte Projekt hat bisher fast 20.000 Frühchen erfasst und bereits über 2.000 von ihnen im Alter von fünf Jahren untersucht. "Die meisten überleben gesund", betont der Neonatologe vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck.

In der Frühgeborenenmedizin gibt es dennoch Verbesserungsmöglichkeiten. Forschungsbedarf sieht Göpel vor allem noch bei der Arzneimittelsicherheit. "Wir benötigen mehr Daten, was Nebenwirkungen von Medikamenten angeht", sagt er. So haben häufig eingesetzte Medikamente möglicherweise langfristig negative Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung. Der Intelligenzquotient lässt sich erst ab einem Alter von fünf Jahren messen.

Perinatalzentren benötigen Fachpersonal

Für die medizinische und pflegerische Versorgung von Frühchen gibt es strenge Vorgaben, die 2013 noch einmal verschärft wurden. Bundesweit haben die Perinatalzentren derzeit Schwierigkeiten, ausreichend Fachpersonal zu finden. Zuletzt hatte die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) berichtet, dass sie in diesem Jahr 298 schwerkranke Kinder aus anderen Häusern nicht aufnehmen konnte, weil es nicht genug Intensivpflegekräfte gibt.

"Diese Dinge müssten politisch gelöst werden", sagt die Präsidentin der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin, Ursula Felderhoff-Müser. "Die gesamte Kinderheilkunde ist unterfinanziert." In einigen Regionen könnten Perinatalzentren zusammengelegt werden, schlägt die Direktorin der Klinik für Kinderheilkunde an der Universität Essen vor. Dabei sei zu beachten, dass auch die Häuser ohne Perinatalzentren höchster Versorgungsstufe weiterhin genug Geld bekommen.

In Deutschland gab es 2017 insgesamt 165 Perinatalzentren der Stufe 1 und 46 der Stufe 2. Bei der überwiegenden Mehrheit der Fälle ist die Frühgeburt schon während der Schwangerschaft absehbar und damit planbar. Für Eltern besteht die Möglichkeit, über das Infoportal Perinatanzentren.org eine passende Klinik in der Nähe zu finden.

Ganzheitliche Begleitung für Familien ist wichtig

Ursache für eine Frühgeburt können Störungen an der Gebärmutter oder Plazenta sein. Dem Verband für das frühgeborene Kind zufolge kommen oft körperliche und psychische Gründe zusammen. So machten Stress und Ängste den Körper anfällig für Infektionen und Krankheiten und könnten eine Frühgeburt auslösen. Psycho-soziale Aspekte sollten Hebammen während der Betreuung in der Schwangerschaft noch stärker beachten, meint Ursula Jahn-Zöhrens aus dem Präsidium des Deutschen Hebammenverbandes. "Die Begleitung muss ganzheitlicher gesehen werden."

Unterstützung benötigen die Eltern auch, wenn sie oft erst Monate nach der Geburt ihr Kind aus der Klinik mit nach Hause nehmen dürfen. Zuvor gab es eine 24-Stunden-Überwachung von spezialisierten Pflegekräften, jetzt sind sie auf einmal allein verantwortlich. "Es geht darum, dass die Eltern Selbstvertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten gewinnen", sagt Tanja Brunnert aus Göttingen, Sprecherin des Landesverbandes der Kinder- und Jugendärzte für Niedersachsen.

Der Verband für das frühgeborene Kind setzt sich zudem dafür ein, dass Frühchen-Eltern auch über den 14. Lebensmonat hinaus Elterngeld beziehen können. "Häufig sind die Kinder mit einem Jahr noch nicht so weit, dass sie in eine Kita oder zu einer Tagesmutter können", sagt Verbandssprecherin Katarina Eglin.