Pilotprojekt startet: Gemeindenotfallsanitäter für Oldenburg

Die Einsatzzahlen der Rettungsdienste steigen stetig. Doch nicht jeder Notruf ist auch ein Notfall. Damit die Rettungswagen nicht unnötig mit Blaulicht losfahren, sollen in Niedersachsen bald Gemeindenotfallsanitäter zum Einsatz kommen.

Angebot unterhalb der Notfallschwelle, um Rettungsdienste zu entlasten

Die Einsatzzahlen der Rettungsdienste steigen stetig. Doch nicht jeder Notruf ist auch ein Notfall. Damit die Rettungswagen nicht unnötig mit Blaulicht losfahren, sollen in Niedersachsen bald Gemeindenotfallsanitäter zum Einsatz kommen.

Frau bewusstlos, Verdacht auf Kreislaufkollaps. Nach diesem Notruf unter 112 rückt sofort ein Rettungswagen aus. Mit Blaulicht und Sirene eilen Notarzt André Gottschalk und seine Kollegen zum Einsatzort, wo sie ihren vermeintlichen Notfall auf dem Sofa antreffen - mit Magenproblemen, aber ansonsten wohlauf. "Da stellt man sich schon die Frage: Was sollen wir eigentlich hier?", sagt Gottschalk. Immer häufiger wird er mittlerweile zu Einsätzen gerufen, die eigentlich gar keine Notfallrettung erfordern. Aber sie kosten wertvolle Zeit, die möglicherweise für richtige Notfälle fehlt. Abhilfe schaffen könnten zukünftig Gemeindenotfallsanitäter.

Die neuen Fachkräfte sollen zum Einsatz kommen, wenn der Patient nicht in Lebensgefahr ist, aber trotzdem medizinische Hilfe nötig ist. "Kollegen in der Leitstelle haben in diesen Fällen momentan keine andere Möglichkeit, als den Rettungswagen zu schicken", sagt der Leiter des Malteser Rettungsdienstes in Oldenburg, Frank Flake. Er ist einer der Initiatoren des Pilotprojektes, das die Rettungsdienste in Oldenburg und den Landkreisen Cloppenburg, Ammerland und Vechta entlasten soll. Die bereits ausgebildeten Sanitäter durchlaufen vom 1. September an eine dreimonatige Fortbildung, bevor sie im Januar 2019 ihren Dienst antreten.

Grund für das Projekt sei unter anderem, dass die Zahl der Rettungseinsätze seit Jahren steige, sagt Stefan Thate, Einsatzleiter der Berufsfeuerwehr Oldenburg. Bis zu 30 Prozent der Einsätze erfordern ihm zufolge jedoch gar keine Notfallrettung. Viele Leute benötigten Angebote unter der Notfallschwelle, welche die Rettungsleitstelle aber nicht vermitteln könne - beispielsweise wenn jemand am Samstagabend die 112 wählt, weil sein Blasenkatheter gewechselt werden muss. Eigentlich kein Fall für die Notfallretter. "Aber da kann man schlecht sagen: Beißen sie mal bis Montagmorgen die Zähne zusammen", sagt Thate. Entweder wird deshalb ein Rettungswagen geschickt oder die Leitstelle entscheidet sich dagegen. "Es gibt bisher keine alternativen Angebote", sagt Thate. Er hofft für die Zukunft, dass Einsätze in viele Unterstufen klassifiziert werden - mit unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten.

Zentrale Leitstellensteuerung gewährleistet Notfallversorgung auch weiterhin

Den Patienten soll durch das neue System kein Nachteil entstehen. Die Einsätze werden zentral über die Leitstelle gesteuert, so dass bei klassischen Notfällen nach wie vor der Rettungsdienst kommt. Außerdem handelt es sich bei den Gemeindenotfallsanitätern um Rettungskräfte, die bereits mindestens fünf Jahre Erfahrung im Dienst haben und bis zu ihren ersten Einsätzen im Januar 2019 eine spezielle Weiterbildung erhalten. Nach vier Wochen theoretischer Ausbildung gebe es noch acht Wochen Praxistraining, sagt Rettungsdienstleiter Flake. "Da werden unter anderem in Arztpraxen verschiedene Szenarien trainiert und die Gemeindenotfallsanitäter über Schnittstellen und Abläufe informiert."

Die Finanzierung des Projektes übernehmen die Krankenkassen. Wie die Rettungsdienste hoffen auch sie, dass sich durch die neuen Fachkräfte die Zahl der Einsätze reduziert. Denn die zunehmenden Rettungsfahrten sind auch ein Kostenfaktor: "Mehr Einsätze bedeuten mehr Fahrzeuge und Personal, das benötigt wird", sagt Flake. Allein ein neuer Krankenwagen koste bereits um die 200.000 Euro. Ein Gemeindenotfallsanitäter könne dagegen - anders als Rettungskräfte im Einsatzwagen - auch alleine und in einem kleineren Fahrzeug losfahren.

Initiatoren des Projektes sind die Berufsfeuerwehr der Stadt Oldenburg, der Rettungsdienst Ammerland, das Deutsche Rote Kreuz Cloppenburg sowie der Malteser Hilfsdienst aus Oldenburg und Vechta. Es wird vom Klinikum Oldenburg und den Universitäten Oldenburg und Maastricht wissenschaftlich begleitet. Das Projekt sei bundesweit einmalig, ähnliche Systeme gebe es nur im Ausland - unter anderem in Kanada und England. Dort jedoch mit positiven Ergebnissen, sagt Thate. "In Deutschland hat noch niemand Erfahrungen damit gesammelt. Aber ich rechne damit, dass das System gut angenommen wird."