Überlastungsbedingte Sportverletzungen - Wie kann Prävention gelingen?

Sportverletzungen entstehen häufig durch Überlastung und bleiben vor allem bei Leistungssportlern zunächst unerkannt. Im Zuge der hohen Prävalenz stellt sich die Frage: Wie kann eine optimale Therapie erfolgen?

Sportverletzungen durch Überlastung im Profifußball und Tennis

Die Fußball-Weltmeisterschaft liegt wenige Wochen zurück, nun ist es Zeit für eine sportmedizinische und trainingswissenschaftliche Einordnung des Leistungssports. Denn neben politisch kontroversen Diskussionen barg das Turnier auch zahlreiche körperliche Herausforderungen für die Sportler.1

Die Spieldichte während der Wettkampfsaison ist besonders hoch, eine hohe Anzahl von Pflichtspielen werden bereits zu Beginn absolviert.2 Dazu kommen klimatische Bedingungen. Aufgrund dessen, sowie wegen des hohen Trainingspensums und des Anspruchs, Höchstleistungen zu erbringen, können überlastungsbedingte Sportverletzungen leicht entstehen.1 Im Rahmen von Fußball-Weltmeisterschaften gilt es, eine optimale Wettkampf- und Trainingssteuerung als auch sportmedizinische Betreuung bereitzustellen. Dadurch soll die Leistungsfähigkeit der Spieler optimiert und gleichzeitig das Risiko für Sportverletzungen minimiert werden.2 

Abseits des WM-Fiebers steht bald die Australian Open an: Auch im Tennis sind überlastungsbedingte Verletzungen keine Seltenheit, der "Tennisarm" mag den meisten ein Begriff sein. 

Was sind überlastungsbedingte Sportverletzungen? 

Als überlastungsbedingte Sportverletzungen ("overuse injuries") werden sukzessive Schädigungen von muskuloskelettalen Strukturen bezeichnet. Durch mechanisch bedingte Mikrotraumata in Kombination mit einer fehlgeschlagenen Heilungsreaktion kommt es zu einer fortlaufenden Schwächung des betroffenen Gewebes. Dies kann sowohl in einer reduzierten Leistungsfähigkeit von Athletinnen und Athleten resultieren, aber auch einen Risikofaktor für weitere, im Zweifel deutlich schwerwiegende Sportverletzungen darstellen. Im Profifußball beispielsweise liegt die Prävalenz überlastungsbedingter Verletzungen bei ca. 30%, vorwiegend im Bereich der unteren Extremität.2

Aber nicht nur unter professionellen Fußballern, sondern auch im Amateurbereich kann es zu überlastungsbedingten Verletzungen oder Langzeitfolgen, wie beispielsweise negativen Auswirkungen von Kopfbällen, kommen. Das ist besonders gefährlich, da sich überlastungsbedingte Verletzungen häufig über einen langen Zeitraum mit teilweise nur minimalen Symptomen manifestieren können.2 Daher gilt es zu vermeiden, dass Betroffene, die unter Überlastungsverletzungen – ggf. unwissentlich – leiden, konstant weitertrainieren.

Zu diesen Themen haben wir mit Prof. Dr. med. Thomas Tischer, Präsident der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS) und Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Malteser Waldkrankenhaus St. Marien Erlangen, gesprochen. 

Im Interview mit Prof. Thomas Tischer

esanum: Überlastungsbedingte Verletzungen können sich über lange Zeit ohne oder nur mit minimalen Symptomen manifestieren. Wie können behandelnde Ärzte solche "overuse injuries" besser erkennen? Können hier neue Technologien bei der Diagnose helfen?

Wichtig ist, bei überlastungsbedingten Verletzungen auf Frühsymptome zu achten. Meist kündigen sich diese Verletzungen an. Die ersten Symptome werden ignoriert und der Sportler trainiert in den Schmerz hinein, bis die Verletzung schließlich so schlimm ist, dass eine Sportpause erfolgen muss. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte sollten somit einerseits auf Frühsymptome achten. Ein weiterer Aspekt ist das Erkennen von Zuständen, die für Verletzungen prädispositionieren, wie z. B. Übertraining, schlechte generelle körperliche Fitness, mangelnde Technik oder muskuläre Dysbalancen. Wie in allen Bereichen können hier auch neue Technologien helfen. Automatisierte Kameras werden minimale Änderungen in der sportlichen Technik erkennen können, die dann Hinweise für beginnende Probleme sein können. Andererseits wird Übertraining automatisch erkannt werden können. 

esanum: Wie können sowohl Prävention als auch Rehabilitation im Spitzensport erfolgen, wenn man das enorme Trainingspensum bedenkt? Welche Therapieformen sind optimal? Erfolgt an diesen beiden Stellen – Prävention und Reha – der Einsatz von neuartigen Technologien? 

Rehabilitation muss nur erfolgen, wenn der Sportler bereits verletzt war und dann muss er sich auch die Zeit nehmen, wieder fit zu werden. Anders ist es mit der Prävention. Nach wie vor verbinden viele mit präventivem Training ein Training, das keinen Leistungszuwachs bringt und sozusagen vergeudet ist. Das ist aber falsch. Wenn sich im Fußball ein Leistungsträger verletzt, dann ist die Leistung des Teams stark beeinträchtigt. Des Weiteren gibt es Hinweise, dass gezieltes Präventionsprogramm auch eine geringe Leistungssteigerung herbeiführen kann (z. B. durch Beseitigung von muskulären Dysbalancen). Außerdem erfordert ein effektives präventives Training keinen großen Zeitaufwand, dreimal 20 Minuten in der Woche sollten reichen. Das ist bei den aktuellen Trainingsumfängen im Leistungssport nicht gerade viel. Zumal das meist in das Aufwärmprogramm integriert ist. Auch hier können neue Technologien gut helfen. Im Rehabereich hingegen hilft Technik durch Messung unzähliger Parameter und möglichst optimal gesteuerter Belastungssteigerung. So können Überlastungen minimiert werden. 

esanum: Warum ist bei überlastungsbedingten Verletzungen und allgemein in der Sportmedizin interdisziplinäre Zusammenarbeit so wichtig?

Die Ärztin bzw. der Arzt ist in erster Linie dafür verantwortlich, eine korrekte Diagnose zu stellen und die zielgerichtete Therapie vorzugeben. Im Rahmen der Rehabilitation gibt der Arzt außerdem die Belastbarkeit des heilenden Gewebes vor. Physiotherapeuten führen schließlich die Krankengymnastik, später den Muskelaufbau und koordinative Übungen durch. Sportwissenschaftler bzw. Trainer überwachen den Trainingsaufbau und die sportliche Technik. So arbeiten viele verschiedene Disziplinen zielgerichtet an der optimalen Genesung verletzter Sportler. 

Mehr Informationen rund um das Thema Bewegung finden Sie auf der Seite des SMHS. 

Der Sports, Medicine and Health Summit ist ein interdisziplinäres Fortbildungsforum für Sport, Medizin und Gesundheit. Vom 22. - 24. Juni 2023 treffen sich nationale und internationale Vertreter und Vertreterinnen aus Medizin, Sport und Gesundheit, um die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu präsentieren.

Referenzen:
  1. Pressemitteilung der DGOU: "Fußball-WM: Überlastungsbedingte Sportverletzungen", 28.11.2022; https://dgou.de/aktuelles/detail/fussball-wm-ueberlastungsbedingte-sportverletzungen
  2. Hoppe, M.W. (2022): Newsletter GOUS: "Zur WM in Katar: Überlastungsbedingte Sportverletzungen im Profifußball aus trainingswissenschaftlicher Perspektive"; https://www.gots.org/blog/2022/11/14/zur-wm-in-katar-ueberlastungsbedingte-sportverletzungen-im-profifussball-aus-trainingswissenschaftlicher-perspektive/