Alternative zur Graft-versus-Host-Disease

Ein Nachteil der allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation (alloHSZT) ist die Graft-versus-Host-Disease (GvHD). Ist es möglich, sie zu vermeiden?

Graft-versus-Host-Disease versus Graft-versus-Leukämie- bzw. Lymphom-Reaktion

Als GvHD wird eine Immunreaktion gegen Empfängergewebe nach alloHSZT bezeichnet. Diese klinische Manifestation beruht – wie der Name GvHD bereits andeutet - auf einer Alloreaktivität des Immunsystems des Spenders. Ihr gegenüber steht der Behandlungserfolg der alloHSZT in Form der Graft-versus-Leukämie- bzw. Lymphom-Reaktion. Die GvHD kann in mehreren Formen auftreten. Eine davon verläuft fulminant lebensbedrohlich, die andere chronisch. Das klinische Erscheinungsbild der letzteren Form kann verschiedenen Autoimmunerkrankungen ähneln. Im Rahmen der Primärtherapie der GvHD kommen Glukokortikoide in topischer oder systemischer Applikationsform therapeutisch zum Einsatz kommen.1

Dreger bezeichnete die alloHSZT in seinem Vortrag als "Mutter aller zellulären Immuntherapien". In den letzten Jahrzehnten hat der Einsatz der alloHSZT in der Leukämie-Therapie stetig zugenommen. Die Wirksamkeit der alloHSZT hängt u.a. vom Lymphom-Subtypen ab (siehe Tabelle 1).
 

Entität HL DLBCL PTCL MCL CLL FL
Wirkstätte der alloHSZT (+) + ++ ++ ++ ++

Tabelle 1: Wirkstärke der alloHSZT abhängig vom Lymphom-Subtypen. Wirkstärke am höchsten bei der FL und am niedrigsten bei der HL. Tabelle modifiziert nach Dreger P. und Urbano-Ispizua A. et al.1,2

Als indirekte Evidenz für Graft-versus-Lymphom-Aktivität nannte Dreger in seinem Vortrag u.a. die Wirksamkeit der Donorlymphozyten-Infusion (DLI) und nachteilige Effekte von T-Zelldepletion. Ein weiterer wichtiger Hinweis auf GVL-Aktivität war Dreger zufolge, dass die Rezidivkurven ein Plateau erreichen. Durch die alloHSZT kann eine dauerhafte Krankheitskontrolle bei Rezidiven nach autologer Transplantation induziert werden.1

Unmet medical need in der Leukämie-Behandlung mittels alloHSZT

Ein grundlegendes Problem der alloHSZT ist die breite Off-Target-Aktivität dieser unspezifischen Immuntherapie. Die Frage, die Dreger an das Auditorium in seinem Vortrag stellte war, ob es nicht möglich sein könnte eine GVL ohne GVHD zu haben. Zur Beantwortung dieser Frage führte Dreger dem Auditorium in einer Grafik den chimären Antigenrezeptor (CAR), den T-Zell-Rezeptor und den CD-19 chimären Antigenrezeptor vor Augen. Im gleichen Atemzug leitete er über zur CAR-T-Zelltherapie bei LBCL.1,3,4

Anti-CD19-CAR-T-Zelltherapie bei LBCL

Die Einführung der CD19-CAR-T-Zelltherapie ging mit einem durchschlagenden Erfolg bei der Behandlung des chemotherapieunempfindlichen aggressiven B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphoms (B-NHL) einher. Das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom (DLBCL) ist eine Art von Non-Hodgkin-Lymphom (NHL). Es stellt die häufigste Neoplasie des lymphatischen Systems dar. Unbehandelt führt diese Erkrankung rasch zum Tod. Es gibt unterschiedliche CD19-CAR-T-Zelltherapeutika. Die Wahl des Therapeutikums für den jeweiligen Patienten sollte zu den Rahmenbedingungen der Personalisierten Medizin erfolgen und angepasst werden. Bei der BCL kommen Axicabtagen-Ciloleucel, Tisagenecleucel und Lisocabtagen-Maraleucel zum Einsatz. Axicabtagen-Ciloleucel und Tisagenecleucel gehören zu den ersten, in Deutschland zugelassenen der CAR-T-Zelltherapeutika. Axicabtagen-Ciloleucel komm in Form einer Monotherapie für Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem DLBCL zum Einsatz.1,5 Tisagenlecleucel wird ebenfalls als Monotherapie angewandt. Zugelassen ist dieses Zelltherapeutikum für Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem DLBCL nach ≥ Vortherapien.1,6 Das Krebsimmuntherapeutikum Lisocabtagen-Maraleucel hat erst vor einigen Monaten seine EU-Zulassung zur Therapie adulter Patienten mit bestimmten Formen des rezidivierten bzw. refraktären großzelligen B-Zell-Lymphoms erhalten. Hierzu zählen das rezidivierte oder refraktäre diffue großzellige B-Zell-Lymphom (DLBCL), das primär mediastinale großzellige B-Zell-Lymphom (PMBCL) und das follikuläre Lymphom Grad 3B (FL3B) nach 2 oder mehr systemischen Vortherapien.1,7

Real-World-Daten der Anti-CD19-CAR-T-Zelltherapie bei LBCL

Dreger stellte Real-World-Daten der Anti-CD19-CAR-T-Zelltherapie bei LBCL aus diesem Jahr vor. Patienten mit r/r LBCL (rezidiviertem/refraktären großzelligen B-Zell-Lymphom) aus Großbritannien erhielten eine CD-19-CAR-T-Zelltherapie mittels Axicabtagen-Ciloleucel oder Tisagenecleucel. Rund 39% der Patienten erreichten bereits nach 6 Monaten eine komplette Remission durch die CAR-T-Zelltherapie. Die Gesamtansprechrate betrug 77% für Axicabtagen-Ciloleucel und 57% Tisagenecleucel. Das 12-monatige progressionsfreie Überleben lag für Axicabtagen-Ciloleucel bei 41,8% und für Tisagenecleucel bei 27,4%. Hinsichtlich des Nebenwirkungsprofil der beiden CAR-T-Zelltherapeutika sahen die Daten wie folgt aus: Die Inzidenz für das Zytokinfreisetzungssyndrom Grad ≥3 lag bei 7,6% für Axicabtagen-Ciloleucel und bei 7,9% für Tisagenecleucel. Anders sah es bei der Neurotoxizität aus. Hier überwog die Inzidenz bei Axicabtagen-Ciloleucel mit 19,6% vs. 3,9%.1,8

Axicabtagen-Ciloleucel wirksamer und toxischer bei r/r LBCL

Dreger stellte eine weitere CAR-T-Zelltherapiestudie -diesmal aus Frankreich- vor. Auch hier wurde Axicabtagen-Ciloleucel mit Tisagenecleucel verglichen. In die Studie eingeschlossen wurden Patienten mit rezidiviertem/refraktärem DLBCL nach zwei oder mehr vorangegangenen Therapielinien und für die DESCAR-T-Registerstudie registriert waren. Es zeigten sich signifikante Unterschiede hinsichtlich der beste Gesamtansprechrate bzw. die beste vollständige Ansprechrate (ORR/CRR): Axicabtagen-Ciloleucel ORR/CRR 80%/60% vs. Tisagenecleucel ORR/CRR 66%/42%. Es konnten signifikant bessere Ergebnisse mit Axicabtagen-Ciloleucel erzielt werden. Das progressionsfreie 1-Jahres-Überleben lag nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 11,7 Monaten bei 46,6% für Axicabtagen-Ciloleucel und 33,2% für Tisagenecleucel. Axicabtagen-Ciloleucel schnitt auch hier, sowie hinsichtlich des Gesamtüberleben (OS) signifikant besser ab (Gesamtüberleben (OS) 1-Jahres-OS: 63,5% gegenüber 48,8%). Das Zytokinfreisetzungssyndrom Grad 1-2 kam signifikant häufiger unter Axicabtagen-Ciloleucel vor. Bezüglich des Zytokinfreisetzungssyndrom Grad 3 gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Therapeutika. Das Immuneffektorzell-assoziierte Neurotoxizitätssyndrom (ICANS) Grad 1-2 und Grad ≥3 ICANS kam unter Axicabtagen-Ciloleucel signifikant häufiger vor. Diese Studie belegt sowohl eine höhere Wirksamkeit und auch eine höhere Toxizität von Axicabtagen-Ciloleucel vs. im Vergleich Tisagenecleucel in der dritten oder weiteren Behandlungslinie bei r/r DLBCL.1,9

alloHSZT versus CAR-T-Zelltherapie: Wer macht das Rennen?

Nachdem Dreger dem Auditorium diese Daten vorgestellt hat, richtet er eine weitere entscheidende Frage an die Zuhörerschaft: "AlloHCT oder CART beim r/r LBCL–Was zuerst?". Er stellt die Vorteile und Nachteile der alloHSZT gegenüber und vergleicht sie mit der CAR-T-Zelltherapie (siehe Tabelle 2). 

Vorteile der alloHSZT vs CAR-T-Zelltherapie Nachteile der alloHSZT vs CAR-T-Zelltherapie
Die Verfügbarkeit von Spendern ist kein Thema mehr Ausgeprägte, chronische GvHD (≥ 30% der überlebenden Patienten)
Immuneffektorzellen werden durch Vorbehandlung/ Krankheit nicht behindert Höhere Werte für die Nicht-Rückfalls-Mortalität (NRM)
Langzeitwirkung validiert; Heilung möglich Altersbegrenzung
schlechteres Ergebnis?
geringere Ansprechrate bei refraktären Patienten

Tabelle 2: Vorteile und Nachteile der alloHSZT versus CAR-T-Zelltherapie. modifiziert nach Dreger P.1

Therapieempfehlung bei r/r LBCL

Am Ende seines spannenden Vortrages fasst Dreger die wichtigsten Punkte zur Therapie der r/r LBCL kurz zusammen. Bei r/r LBCL sollte die CAR-T-Zelltherapie zuerst durchgeführt werden. Einige Ausnahmen hiervon gibt es jedoch. In folgenden Fällen sollte die CAR-T-Zelltherapie nicht zuerst durchgeführt werden: 

Dreger gibt dem Auditorium folgende Therapiealgorithmen mit auf den Weg: 

"Zelluläre Immuntherapie bei BCL 2023

Fazit für die Praxis

Mehr vom DGHO-Kongress 2022: 


Weitere Beiträge finden Sie auf unserer Kongress-Seite zur DGHO 2022.
 

Referenzen:
  1. Dreger, Peter, Prof. Dr. med., DGHO 2022, Zelluläre Immuntherapie bei Lymphomen, Graft versus Leukämie - Anspruch und Realität, Aachen, 08:30-08:30 Uhr, 09.10.2022.
  2. Urbano-Ispizua A. et al. (2015). The Impact of Graft-versus-Host Disease on the Relapse Rate in Patients with Lymphoma Depends on the Histological Subtype and the Intensity of the Conditioning Regimen. Biol Blood Marrow Transplant. 2015 Oct;21(10):1746-53.
  3. June C. H. et al. (2018). Chimeric Antigen Receptor Therapy. N Engl J Med. 2018 Jul 5;379(1):64-73. 
  4. Onea A. S. et al. (2016). CD19 chimeric antigen receptor (CD19 CAR)-redirected adoptive T-cell immunotherapy for the treatment of relapsed or refractory B-cell Non-Hodgkin's Lymphomas. Am J Cancer Res. 2016 Jan 15;6(2):403-24.
  5. https://www.dgho.de/publikationen/stellungnahmen/fruehe-nutzenbewertung/axicabtagen/axicabtagen-ciloleucel-dlbcl-dgho-dag-kbt-gla-stellungnahme-20190222.pdf
  6. https://www.dgho.de/publikationen/stellungnahmen/fruehe-nutzenbewertung/tisagenlecleucel/tisagenlecleucel-dlbcl-stellungnahme-20190107a.pdf 
  7. https://www.trillium.de/zeitschriften/trillium-krebsmedizin/aktuelle-mitteilungen/details/lisocabtagen-maraleucel-eu-zulassung-fuer-bestimmte-formen-des-rezidivierten-refraktaeren-grosszelligen-b-zell-lymphoms.html
  8. Kuhnl A. et al. (2022). A national service for delivering CD19 CAR-Tin large B-cell lymphoma - The UK real-world experience. Br J Haematol. 2022 Aug;198(3):492-502. 
  9. Bachy E. et al. (2022). A real-world comparison of tisagenlecleucel and axicabtagene ciloleucel CAR T cells in relapsed or refractory diffuse large B cell lymphoma. Nat Med 28, 2145–2154 (2022).