ATTR-Amyloidose: Wenn Schmerzen in Händen und Gelenken auf das Herz deuten
Die kardiale Amyloidose bei ATTR-Patienten stellt Mediziner vor diagnostische Herausforderungen. Besonders wichtig sind die Identifikation spezifischer Warnzeichen und eine konsequente Früherkennung, um rechtzeitig therapeutisch eingreifen zu können.
Die zentrale Rolle des Proteins Transthyretin
Die häufigste Form der Amyloidose – die ATTR - wird durch das Protein Transthyretin (TTR) verursacht und geht mit einer Kardiomyopathie einher. Das Protein (TTR) wird vorwiegend (90 %) in der Leber synthetisiert. Es transportiert unter physiologischen Bedingungen Thyroxin und Retinol. Wenn sich jedoch das TTR-Protein falsch faltet, kann es zur Bildung von unlöslichen Amyloidfibrillen kommen. Diese können sich u.a. am Herzen ablagern und so in Herzversagen, Erregungsleitungsstörungen sowie Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern resultieren. Die biologischen Prozesse, durch die sich Amyloidfibrillen bilden, sind noch nicht vollständig geklärt, doch soviel ist klar: Die Bildung von Amyloidfibrillen ist das Ergebnis einer destabilisierenden Mutation bei der hereditären ATTR-Amyloidose (hATTR) oder eines altersbedingten Prozesses bei der Wildtyp-ATTR-Amyloidose (wtATTR).2,3
Der Schlüssel ist die TTR-Tetramer-Stabilisierung
Die Transthyretin-Amyloid-Kardiomyopathie (ATTR-CM) ist eine unzureichend erkannte Ursache der Herzinsuffizienz bei älteren Personen, die auf myokardiale Ablagerungen von fehlgefaltetem Transthyretin (TTR) oder Präalbumin zurückzuführen ist.3 Dem Ganzen liegt folgender Prozess zugrunde: Stabile TTR-Tetramere in Monomere zerfallen und lagern sich zu unlöslichen Amyloidfibrillen zusammen. Die hiervon betroffenen Strukturen und Organe werden dysfunktional. Knebel betonte in seinem Vortrag die Wichtigkeit der frühzeitigen Diagnosestellung, um mittels TTR-Tetramer-Stabilisierung die Bildung von Amyloidfibrillen und den damit verbundenen Krankheitsprozess Einhalt zu gebieten.1
Früherkennung der ATTR-CM
Knebel stellte dem Auditorium das Wichtigste zur ATTR-Diagnostik vor.1 Charakteristische Muster in der Echokardiographie und der kardialen Magnetresonanztomographie können einen starken Hinweis auf die Krankheit geben- sie sind jedoch nicht diagnostisch. Die Diagnose kann mit nichtinvasiver nuklearer Bildgebung gestellt werden, wenn kein monoklonales Protein nachweisbar ist. Assoziierte Merkmale wie das Karpaltunnelsyndrom und die lumbale Spinalkanalstenose erhöhen den Verdacht und könnten eine Möglichkeit zur Frühdiagnose bieten:3 60 % der Patienten mit ATTR-Amyloidose haben bei Diagnosestellung ein Karpaltunnelsyndrom. Das Karpaltunnelsyndrom ist auch prognostisch relevant: Patienten mit ATTR-Amyloidose und Karpaltunnelsyndrom haben ein größeres Risiko eine kardiale Amyloidose und Herzinsuffizienz zu entwickeln. Weitere muskuloskeletale red flags - neben dem Karpaltunnelsyndrom und der lumbale Spinalkanalstenose - sind:
- Riss der distalen Bizepssehne
- Schmerzen im Bereich der Hüfte, der Schultern und der Knie
- Triggerfinger 1
Ein TTR-Spiegel unter 18 mg/dl ist mit einer höheren Sterblichkeit verbunden
Der TTR-Spiegel ist wichtig hinsichtlich der Überlebenswahrscheinlichkeit der betroffenen Patienten: Ein TTR-Spiegel unter 18 mg/dl ist mit einer geringeren Überlebenswahrscheinlichkeit vergesellschaftet. Im Vergleich zu Patienten mit ATTR-Amyloidose und einem TTR-Spiegel über 18 mg/dl ist ihr Sterberisiko um das Doppelte erhöht.1
ESC-Leitlinie 2023 ist ausschlaggebend
Im klinischen Alltag sollte bei Verdacht auf eine kardiale Amyloidose folgende Diagnostik erfolgen:
- Echokardiographie
- CMR (kardiovaskuläre Magnetresonanztomographie)
- Knochenszintigraphie
- Hämatologische Untersuchungen (u.a. Quantifizierung der freien Leichtketten im Serum)
- Sollte sich der Verdacht in der Knochenszintigraphie und in den hämatologischen Untersuchungen erhärten: Biopsie
Gemäß dem diagnostischen Algorithmus aus den ESC-Leitlinien 2023 ist die Diagnose der kardialen Amyloidose am wahrscheinlichsten bei positivem Befund in der Knochenszintigraphie und negativen Ergebnissen in den hämatologischen Untersuchungen, so Knebel.1,4
ATTR-Amyloidose: Die Erkennung im Frühstadium statt im Endstadium als Ziel im klinischen Alltag
Im klinischen Alltag ist es wünschenswert, einen Patienten mit ATTR-Amyloidose vor der Entwicklung eines Low-Voltage-EKGs und einer starken Erhöhung des NT-proBNP zu erkennen, damit er von einer adäquaten Therapie profitieren kann. Knebel machte das Auditorium darauf aufmerksam, dass nur 25 % der Patienten mit ATTR-Amyloidose am Tag der Diagnosestellung ein Low-Voltage-EKG besitzen. Das NT-proBNP ist prognostisch relevant: Bei NT-proBNP- Werten über 3000 liegt die Überlebenswahrscheinlichkeit nach 5 Jahren bereits bei unter 40 % - bei NT-proBNP- Werten unter 3000 hingegen bei über 50 %.1
Fazit für die Praxis
- Ein TTR-Spiegel unter 18 mg/dl ist mit einer höheren Sterblichkeit verbunden.
- Bei NT-proBNP- Werten über 3000 liegt die Überlebenswahrscheinlichkeit nach 5 Jahren bei unter 40 % - bei NT-proBNP- Werten unter 3000 hingegen bei über 50 %.
- 60 % der Patienten mit ATTR-Amyloidose haben bei Diagnosestellung ein Karpaltunnelsyndrom.
- Das Karpaltunnelsyndrom ist prognostisch relevant: Patienten mit ATTR-Amyloidose und Karpaltunnelsyndrom haben ein größeres Risiko eine kardiale Amyloidose und Herzinsuffizienz zu entwickeln.
- Muskuloskelettale red flags:
- Karpaltunnelsyndrom
- lumbale Spinalkanalstenose
- Riss der distalen Bizepssehne
- Schmerzen im Bereich der Hüfte, der Schultern und der Knie
- Trigger-Finger
- Frühzeitige Diagnosestellung essentiell
- Medikamentöse Therapie möglich bei frühzeitiger Diagnosestellung
- Knebel, Fabian, Prof. Dr. med., ATTR-Diagnostik to go – Must haves & Nice to haves, Hin zu mehr Stabilität – Therapeutischer Fortschritt bei Patienten mit kardialer Amyloidose, Vorsitz: Papathanasiou, Maria, Priv.-Doz. Dr.med., Yilmaz, Ali, Prof., Dr. med., 91. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), 13:00 Uhr, 24. April 2025.
- Ruberg FL. et al. (2024). Cardiac Amyloidosis Due to Transthyretin Protein: A Review. JAMA. 2024 Mar 5;331(9):778-791.
- Ruberg FL et al. (2019). Transthyretin Amyloid Cardiomyopathy: JACC State-of-the-Art Review. J Am Coll Cardiol. 2019 Jun 11;73(22):2872-2891.
- Arbelo E. et al. (2023). 2023 ESC Guidelines for the management of cardiomyopathies. Eur Heart J. 2023 Oct 1;44(37):3503-3626.