Wie Künstliche Intelligenz das Brustkrebs-Screening revolutionieren wird

Der Einsatz von KI in der Medizin ist längst nichts Ungewöhnliches mehr. Auch im Bereich der Brustkrebsvorsorge helfen intelligente Tools bei der Screening-Interpretation. Doch wie schlägt sich die KI im Vergleich zum Radiologen?

Brustkrebs in Deutschland und das Mammographie-Screening-Programm

Mit rund 70 000 jährlichen Neuerkrankungen und etwa 30 Prozent aller Krebsfälle ist das Mammakarzinom die mit Abstand häufigste Krebserkrankung der Frau in Deutschland. Eine der wichtigsten Maßnahmen zur Bekämpfung von Brustkrebs ist das seit 2002 in Deutschland implementierte Mammographie-Screening-Programm. Die Brustkrebsfrüherkennung wurde durch optimale Geräteversorgung, Zertifizierung von qualifiziertem Personal und einer institutionalisierten Doppelbefundung durch zwei unabhängige Experten deutlich verbessert. Zahlreiche randomisierte Studien und Metaanalysen belegen, dass Screening-Programme die Mortalität von Brustkrebs um etwa 20-50% senken können.1,2

Um den hohen Standard der Screening-Programme aufrechtzuerhalten, bedarf es einer Vielzahl gut ausgebildeter Radiologen und Radiologinnen, deren Ressourcen jedoch begrenzt sind. Es besteht ein unbestreitbarer Bedarf an Unterstützung bei der Interpretation von Screening-Ergebnissen, um die Variabilität zwischen den Beobachtern zu verringern und gleichzeitig mit personellen Einschränkungen umzugehen.

Der Hauptvorteil des Mammographie-Screenings liegt in seiner Fähigkeit, Karzinome in einem frühen Stadium zu entdecken. Es gibt allerdings auch Einschränkungen: Falsch-positive Ergebnisse führen zu unnötigen weiteren Untersuchungen, Behandlungen und emotionalem Stress. Darüber hinaus besteht das Risiko der Überdiagnose, bei der kleine, langsam wachsende Tumore, die nie zu Mortalität führen würden, entdeckt und behandelt werden.

Einsatz von KI-Systemen in der Mammographie

In den letzten Jahren wurden zahlreiche KI-Systeme für die Mammographie entwickelt und validiert, die derzeit bereits in den USA und in einigen europäischen Ländern zugelassen sind.3,4 Angesichts der kontinuierlichen Fortschritte in der KI-Technologie und des zunehmenden Bedarfs an einer Verbesserung der Arbeitsabläufe in der Brustbildgebung werden solche KI-Systeme rasch in der klinischen Praxis eingesetzt. Frühe Studien zeigten vielversprechende Ergebnisse bei der Simulation potenzieller Aufgaben von KI zur Unterstützung von Radiologen in der Praxis. 

KI kann jedoch nur dann die Ziele der Verbesserung von Screening-Ergebnissen und/oder der Verringerung der Arbeitsbelastung erfüllen, wenn die unabhängige Leistung ausreichend hoch ist. Bevor wir die Implementierung von KI als eigenständige Modalität für die mammografische Interpretation in Betracht ziehen können, müssen daher die derzeitigen Systeme kritisch bewertet werden.

Eine im renommierten Radiology Journal publizierte Metaanalyse (Standalone AI for Breast Cancer Detection at Screening Digital Mammography and Digital Breast Tomosynthesis: A Systematic Review and Meta-Analysis; doi: 10.1148/radiol.222639) hat sich dieser Aufgabe gewidmet und die KI zur Brustkrebserkennung bei der digitalen Mammographie und der digitalen Brusttomosynthese (DBT) evaluiert.

Mensch vs. KI: Wer liefert bei der Mammographie genauere Ergebnisse? 

Insgesamt wurden 16 Studien mit 1 108 328 Untersuchungen bei 497 091 Frauen analysiert (sechs Reader-Studien, sieben historische Kohortenstudien zur digitalen Mammographie und vier Studien zur DBT). Die gepoolten AUCs (engl.: area under the receiver operating characteristic curve; ROC-Kurve) waren in den sechs Reader-Studien zur digitalen Mammographie signifikant höher für eigenständige AI als für Radiologen (0,87 vs. 0,81, P = .002), aber nicht für historische Kohortenstudien (0,89 vs. 0,96, P = .152). Vier Studien zur DBT zeigten signifikant höhere AUCs bei AI im Vergleich zu Radiologen (0,90 vs. 0,79, P < .001). Eine höhere Sensitivität und eine geringere Spezifität wurden für die alleinige AI im Vergleich zum Radiologen festgestellt.

Zusammengefasst ergab sich, dass die eigenständige KI im digitalen Mammographie-Screening mindestens genauso gut oder sogar besser als Radiologen abschneidet. Diese Feststellung hat das Potenzial, die Kosten für Mammographie-Screening-Programme erheblich zu senken und Radiologen von der redundanten Bildinterpretation zu entlasten. Dadurch könnten sich Radiologen stärker auf komplexere Fälle sowie auf die Beratung und Betreuung der Patientinnen fokussieren.

Referenzen:
  1. Independent UK Panel on Breast Cancer Screening. The benefits and harms of breast cancer screening: an independent review. Lancet 2012;380(9855):1778–1786.
  2. Gøtzsche PC, Jørgensen KJ. Screening for breast cancer with mammography. Cochrane Database Syst Rev 2013;2013(6):CD001877.
  3. Rodriguez-Ruiz A, Lång K, Gubern-Merida A, et al. Stand-Alone Artificial Intelligence for Breast Cancer Detection in Mammography: Comparison With 101 Radiologists. J Natl Cancer Inst 2019;111(9):916–922.
  4. Kim H-E, Kim HH, Han BK, et al. Changes in cancer detection and false-positive recall in mammography using artificial intelligence: a retrospective, multireader study. Lancet Digit Health 2020;2(3):e138–e148.
  5. Yoon JH, Strand F, Baltzer PAT, Conant EF, Gilbert FJ, Lehman CD, Morris EA, Mullen LA, Nishikawa RM, Sharma N, Vejborg I, Moy L, Mann RM. Standalone AI for Breast Cancer Detection at Screening Digital Mammography and Digital Breast Tomosynthesis: A Systematic Review and Meta-Analysis. Radiology. 2023 May 23:222639. doi: 10.1148/radiol.222639. Epub ahead of print. PMID: 37219445.