Hidradenitis suppurativa – Der lange Weg zur Diagnose

Mehr als sieben Jahre dauert es im Schnitt in Europa, um Patienten mit Hidradenitis suppurativa richtig zu diagnostizieren. Warum ist das so und was muss sich verbessern?

Verzögerte Diagnosestellung

Bis die Diagnose HS durch einen Dermatologen zutreffend gestellt wird, vergeht durchschnittlich fast ein Jahrzehnt. Viele Patienten befinden sich zuvor in einem Teufelskreis aus rezidivierenden Vorstellungen in Notaufnahmen, beim Hausarzt, Internisten oder Chirurgen mit häufig daraus resultierenden Fehldiagnosen. Ein Grund hierfür ist das fehlende Bewusstsein für die HS in den meisten Fachrichtungen außerhalb der Dermatologie. Die oft langen Wartezeiten auf einen Termin beim Spezialisten verzögern die Diagnose weiter. Hinzu kommt, dass viele Patienten aus Scham und Angst vor Stigmatisierung den Gang zum Arzt vermeiden.

Abnahme der Lebensqualität

Krankheitsassoziierter Schmerz, Ekel vor den Abszessen, Angst und Scham führen zu Einschränkungen sowohl im Berufs- als auch Privatleben. In Studien war der DLQI-Score (Dermatologischer-Lebensqualitäts-Index) für Patienten mit HS im Vergleich zu anderen Hauterkrankungen wie der Psoriasis oder der atopischen Dermatitis deutlich höher2,3. Je höher der Score, desto mehr Einfluss hat die Erkrankung auf die Lebensqualität. 2,7 krankheitsassoziierte berufliche Fehltage wurden für Patienten mit HS durchschnittlich jährlich beschrieben4. Zusätzlich gaben Betroffene eine verringerte Produktivität, geringere Aufstiegschancen und sogar ein höheres Risiko für Arbeitslosigkeit aufgrund der HS an5.

Deshalb ist nach Stellung der Diagnose ein rascher Therapiebeginn essentiell.

Behandlungsmöglichkeiten bei Hidradenitis suppurativa

Die Behandlung der HS setzt sich aus unterschiedlichen Modalitäten zusammen. Direkt für die Erkrankung zugelassen sind derzeit lediglich die Biologika Adalimumab und Secukinumab6,7,8.

In einer Diskussion mit dem Auditorium stellen die Referenten klar, dass eine Kombination der unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten (z.B. chirurgische Interventionen und Biologika oder zusätzliche antibiotische oder antihormonelle Therapien) sinnvoll sein kann. Dies sei jedoch eine individuelle Entscheidung je nach Ausprägung des Krankheitsbildes.

Zudem sollte eine interdisziplinäre Versorgung des Patienten unter Einbeziehung von Internisten, Chirurgen und Allgemeinmedizinern erfolgen, um assoziierte Komorbiditäten (z.B. CEDs) optimal zu behandeln. 

Wichtig: rechtzeitiger Beginn einer Therapie mit Biologika

Auch nach Stellung der richtigen Diagnose dauert es teils Jahre, bis Patienten mit mittelschwerer bis schwerer HS die indizierte Therapie mit den zugelassenen Biologika, Adalimumab und Secukinumab, erhalten. Als häufige Gründe für diese erneute Verzögerung werden außer der verspäteten Überweisung zum Spezialisten oder unerwünschte Nebenwirkungen auch Schwierigkeiten mit der Kostenerstattung genannt.

Auch den richtigen Zeitpunkt zu ermitteln, ab wann ein Biologikum indiziert ist, gestaltet sich laut den Referenten schwierig. Die gängige Schweregradklassifikation erfolgt nach dem Schema von Hurley. Je nach Anzahl der Abszesse sowie dem Vorliegen von Fisteln und Narben werden Stadium I, Stadium II und Stadium III unterschieden. 

Jedoch sollte auch der DLQI in die Bewertung mit einbezogen werden, so van Straalen. Diskutiert wird derzeit das "Window of Opportunity" also das mögliche Zeitfenster, in welchem die Therapie mit einem Biologikum die größte Effektivität hat9

Bei fortschreitender Erkrankung ohne entsprechende Therapie kommt es durch den Krankheitsprogress zu zunehmender, irreversibler Gewebeschädigung und Narbenbildung10. Eine Verzögerung des Behandlungsbeginns mit einem Biologikum von > 10 Jahren resultierte in Studien in einer Verdopplung der Wahrscheinlichkeit eines Nicht-Ansprechens9. Deshalb sollte eine Therapieeinleitung bei Patienten mit mittelschwerer- bis schwerer HS bei bestehender Indikation rasch stattfinden.

Bei aktuell lediglich zwei für die HS zugelassenen Biologika in Deutschland gibt es einen hohen Bedarf an der Entwicklung neuer Wirkstoffe zur Erweiterung der Therapiemöglichkeiten.

Neue Wirkstoffe durch das Verständnis der Pathophysiologie

Die komplexe Pathophysiologie der Erkrankung birgt unterschiedliche Angriffspunkte für Therapeutika. Initial komme es zu einer Hyperkeratose, so Kokolakis. Hierdurch kommt es zu einer Okklusion des Haarfollikels mit einer daraus resultierenden Inflammation mit Bildung von Detritus. Es bilden sich Fisteln und Abszesse. 

Initial verläuft die Erkrankung ähnlich wie die Psoriasis mit Ausschüttung von Zytokinen wie Interleukin-17 und TNF. Neben dieser Immunreaktion kommt es jedoch durch die Fibroblasten zur Narbenbildung, sowie zur Ausschüttung von Chemokinen, weiteren Zytokinen und Neutrophilen11

Entsprechend gibt es laut Kokolakis neben Adalimumab als TNF-alpha-Inhibitor und Secukinumab als IL-17A-Inhibitor zahlreiche weitere potentielle Angriffspunkte für Therapeutika. So laufen Studien zu JAK-Inhibitoren, IL-1 Inhibitoren, IL17A/IL17F-Inhibitoren sowie C5a-Inhibitoren12,13.

Bimekizumab als IL17A/IL17F-Inhibitor zeigte in Phase-3-Studien gute Ergebnisse, ist bislang jedoch nicht für HS zugelassen14.

Fazit für die Praxis

Quellen:
  1. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35445469/
  2. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1111/jdv.16642
  3. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27518661/
  4. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24567417/
  5. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20227585/
  6. https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/cosentyx-epar-product-information_en.pdf
  7. https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/humira
  8. https://register.awmf.org/assets/guidelines/013-012l_S1_Acne_inversa_Hidradenitis_suppurativa_2012-12-abgelaufen.pdf
  9. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32119111/
  10. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32610312/
  11. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33048349/
  12. https://classic.clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT05620823
  13. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10134037/
  14. https://www.ucb.com/stories-media/Press-Releases/article/UCB-Announces-Positive-Phase-3-Studies-for-Bimekizumab-in-Hidradenitis-Suppurativa

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