Geschlechtskrankheiten in der Urologie Teil 2 – Was verrät die Haut?

Im 1. Teil der “Geschlechtskrankheiten in der Urologie” ging es um die Sexualanamnese und das Risiko für sexuell übertragbare Infektionen (STI). Heute werden wir Ihnen, unterstützt durch Prof. Dr. med. Norbert H. Brockmeyer, zeigen, wie Sie die Hauterscheinungen bei einigen STI diagnostisch nutzen können.

Im 1. Teil der “Geschlechtskrankheiten in der Urologie” haben wir uns damit beschäftigt, wie Sie überhaupt asymptomatische PatientInnen mit einem Infektionsrisiko für sexuell übertragbare Infektionen (STI) anamnestisch ausfindig machen können. Sexualität ist auch heute noch immer ein Tabuthema, dafür bedarf es eines Türöffners. Ist diese Tür dann aber erst einmal offen, braucht es eine zielführende und je nach Infektionsrisiko auch umfassendere Diagnostik. Dabei hilft Ihnen zum Teil ein Blick auf die Haut der PatientInnen, jedoch reicht dies selbstverständlich nicht aus. Dennoch verraten sich einige STI, wie der Genitalherpes, die Syphilis oder auch Infektionen mit humanen Papillomviren, nicht selten durch sichtbare Hautsymptome. Wie Sie die richtige Diagnose stellen und damit auch eine adäquate Therapie einleiten können, haben wir in diesem Beitrag, unterstützt durch Prof. Dr. med. Norbert H. Brockmeyer, dem Präsidenten der Deutschen STI-Gesellschaft (DSTIG), für Ihre tägliche Praxis zusammengestellt.

Vor jeder Therapieentscheidung stehen eine ausführliche Sexual-Anamnese sowie die geeignetste Labordiagnostik. Was Sie bei der Diagnosestellung und anschließenden Behandlung alles beachten sollten, habe ich Ihnen im folgenden "Spezialteil“ unserer kleinen Serie zusammengetragen. Die Erkrankungen und deren Erreger mit denen ich mich heute beschäftigen möchte, fallen alle durch mehr oder minder spezifische Hauterscheinungen im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge.

Erkrankungen mit genitalen, analen, perianalen oder oralen Ulzerationen

Herpes simplex (HSV-1, HSV-2)

Das Herpex-simplex-Virus ist ein doppelsträngiges DNA-Virus, von dem zwei Formen für den Menschen besonders wichtig sind. Das HSV-1 infiziert vornehmlich die Lippen (= Lippenherpes), HSV-2 hingegen ist klassisch im Urogenitalbereich (= Genitalherpes) zu finden.7 Beide Viren persistieren nach einer Erstinfektion im Nervensystem und werden von hier aus – beispielsweise infolge von Stress oder Sonnenexposition – wiederkehrend aktiviert.

Schätzungsweise 90% der Erwachsenen sind Träger von Herpes-simplex-Viren des Typs 1, jeder Fünfte zusätzlich von Herpes simplex Typ 2. Übertragen werden die Viren zum einen beim Geschlechtsverkehr, aber ebenso leicht beim Oralverkehr oder beim direkten Kontakt mit den Bläschen und der darin enthaltenen Flüssigkeit.7

Klinik

Herpes simplex (HSV-1 und HSV-2) ruft anfänglich ein Kribbeln oder Jucken hervor. Später treten die typischen schmerzempfindlichen und flüssigkeitsgefüllten gruppierten Bläschen auf gerötetem Grund auf. In der Regel heilen diese und die Hautrötungen jedoch innerhalb von zwei bis drei Wochen wieder ab.7

Cave: Heutzutage ist in Anlehnung an die jeweiligen sexuellen Praktiken klinisch auch ein übergreifendes Verteilungsmuster zu beobachten, bei dem HSV-1 nicht nur auf die Lippen begrenzt ist und auch HSV-2 neben dem Genitale die Lippen infizieren kann. Aus der Literatur geht zusätzlich hervor, dass ein Genitalherpes aufgrund der entzündlichen Hautveränderungen bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr die Akquise einer HIV-Infektion begünstigen kann.7

Diagnostik und Therapie

Zur Diagnose einer HSV-Infektion wird nach wie vor zuerst die Klinik ("gruppierte Bläschen mit Hautrötung“) herangezogen. Für den Erregernachweis stehen schließlich sowohl PCR-basierte Verfahren, wie die NAAT, als auch ein direkter Antigentest aus Abstrich-Material zur Verfügung. Die NAAT-PCR-Analysen haben bei vergleichbarer Spezifität eine sehr viel höhere Sensitivität als die Zellkultur oder Antigentests, weshalb ihnen heute immer größere Bedeutung zukommt.8, 9 Die eingesetzten HSV-PCR-Tests basieren auf der real-time-PCR-Technologie, welche zeitgleich die Quantifizierung der Virus-DNA und die Differenzierung in HSV-1 und HSV-2 ermöglicht.9 Darüber hinaus lässt sich durch die Sequenzanalyse die Suszeptibilität gegenüber Acyclovir und weiteren antiviralen Substanzen mitbestimmen.7

Für die Therapie des Herpes genitalis sind – anders als beim Lippenherpes – Lokaltherapien nicht indiziert. Die Therapie erfolgt hier systemisch mithilfe von Aciclovir u. a. in unterschiedlicher Dosierung, je nachdem, ob eine Erstinfektion, rezidivierende Episoden oder ein begleitender Immundefekt vorliegen (Abbildung 1).10 Bei häufigen Rezidiven sollte eine dauerhafte (6-monatige) antivirale Suppressionstherapie erwogen werden. Eine Partnerbehandlung ist besonders zur Rezidiv-Vermeidung sinnvoll und wird daher empfohlen.

Abb. 1: Standardtherapie-Schema bei Herpes genitalis. [Quelle: Leitfaden STI-Therapie der DSTIG10]

Humane Papillomviren

Humane Papillomviren (HPV) sind doppelsträngige DNA-Viren. Es gibt weit mehr als 200 verschiedene HPV-Typen, von denen etwa 40 überwiegend im Anogenitalbereich auftreten. Etwa 80% der Bevölkerung akquiriert im Laufe des Lebens eine HPV-Infektion, in der Mehrzahl zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr.7

Übertragen werden die HP-Viren zum einen durch ungeschützten Geschlechtsverkehr, aber ebenso beim Oralsex oder über einen direkten Kontakt zu den Condylomen.7 In diesem Zusammenhang sei zusätzlich darauf hingewiesen, dass die verbreitete Intimrasur über kleinste Schnittverletzungen ideale Eintrittspforten für die HP-Viren bietet und somit deren Verbreitung fördern könnte.

Klinik

Entsprechend ihres onkogenen Potenzials werden die HPV in low-risk (z.B. HPV6 und HPV11) und high-risk (z.B. HPV16 und HPV18)-Typen unterteilt. Die low-risk-HPV fördern die Entstehung anogenitaler Feigwarzen (Condylomata acuminata), während die high-risk-HPV-Typen zu Neoplasien bis hin zu Tumoren führen können. Studien zeigten, dass HPV-Infektionen sowohl beim Gebärmutterhalskrebs als auch bei anogenitalen sowie bei oropharyngealen Tumoren eine nicht unerhebliche Rolle in der Tumorgenese spielen.7

Diagnostik und Therapie

Diagnostisch stehen folgende Verfahren bei HPV-Infektionen zur Verfügung:10

Für die Therapie der Feigwarzen werden seitens der Deutschen STI-Gesellschaft empfohlen:10

Bei anogenitalen Warzen sollte nach einer chirurgischen Intervention eine adjuvante Behandlung mit Imiqui-mod-5%-Creme für die Dauer von acht Wochen folgen. Alternativ hierzu können Podophyllotoxin, 5-FU oder Cyclosporin angewendet werden. Krebsvorstufen und Karzinome sollen entsprechend der aktuellen S2k-Leitlinie behandelt werden.11

Prävention: Gegen neun der wichtigsten HPV-Typen gibt es seit einigen Jahren eine hoch wirksame Schutzimpfung, welche in Deutschland seit Herbst 2018 nicht mehr nur für Mädchen, sondern ebenso für Jungen ab dem 9. Lebensjahr zur Vorsorge von HPV-induzierten Tumoren sowie Condylomata acuminata empfohlen wird. Die HPV-Impfung schützt beide Geschlechter vor Feigwarzen sowie HPV-abhängigen Tumoren im Rachenraum und im Anal- und Genitalbereich, wie weltweit aus zahlreichen Studien hervorgeht. Dennoch liegt die derzeitige Impfquote bei den Mädchen in Deutschland bei lediglich um die 31% (Abschluss beider Impfdosen, die im Alter zwischen 9 und 14 Jahren für einen ausreichenden Impfschutz empfohlen werden).12

Syphilis ("harter Schanker“)

Die Syphilis wird, was vielfach unbeachtet bleibt, nicht nur beim ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen, sondern ebenso oral, anal und durch direkten Kontakt mit den Hauterscheinungen. Der Erreger ist das schraubig gewundene Bakterium Treponema pallidum.7

Klinik

Die nach Infektion ausgelöste Syphilis-Erkrankung verläuft in drei Stadien: Das 1. Stadium ist das Unscheinbarste und wird daher häufig sowohl von den Betroffenen selbst als auch von ÄrztInnen übersehen. In diesem Stadium der Primärsyphilis entwickelt sich etwa drei Wochen nach dem Erregerkontakt ein schmerzloses Ulkus mit derbem Randwall (= Ulkus durum, "harter Schanker“). Diese Hautveränderung tritt sehr häufig auch versteckt am Körper auf, z. B. innerhalb der Mundhöhle oder im Analkanal, wo sie aufgrund ihrer Symptomlosigkeit nicht selten unentdeckt bleibt. Das Ulkus schmerzt nicht und imponiert eher vergleichbar einer dezenten Beule oder eines größeren Pickels. Der Primäraffekt der Syphilis bildet sich schließlich wieder vollständig zurück, sodass Mann bzw. Frau sich in Sicherheit wiegt und der Gang zur Ärztin / zum Arzt häufig unterbleibt oder zumindest hinausgezögert wird.

Wichtig für die Differentialdiagnose: Das Ulkus der Primärsyphilis ist gleichzeitig ein wichtiges differenzialdiagnostisches Unterscheidungsmerkmal zum Ulkus molle mit dessen schmerzhaften, weichen Ulzerationen oder zum Lymphogranuloma venereum mit entzündlichen Leistenlymphknoten.

Im 2. Stadium, der Sekundärsyphilis, streut Treponema pallidum hämatogen. Sechs Wochen bis zu einem halben Jahr nach der Erstinfektion treten zuerst allgemeine Krankheitssymptome gepaart mit einem juckenden Hautausschlag auf.7 Beides bildet sich jedoch ebenfalls wieder zurück und verheilt narbenlos. Im weiteren Krankheitsverlauf kommt es zu weiteren Hautausschlägen. Besonders charakteristisch fallen dabei die bräunlichen Flecken an Handflächen und Fußsohlen auf.

Cave: Die im Stadium 1 und 2 der Syphilis entstehenden Hautveränderungen sind reich an Treponemen, sodass die Krankheitserreger potenziell über einen direkten Kontakt übertragen werden können!

Die Tertiärsyphilis (= Stadium III; Neurosyphilis) ist heutzutage in Deutschland nur noch selten anzutreffen. Die meisten Betroffenen werden bereits früher von einem Arzt diagnostiziert und auch direkt behandelt. Charakteristisch für dieses Krankheitsstadium ist die Bildung von Gummen, d. h. es entstehen multiple, zum Teil auch ulzerierende Granulome der Haut, Knochen und Gefäße.

Diagnostik und Therapie

Zur Diagnostik und Verlaufskontrolle der Syphilis werden direkte Erregernachweise bzw. serologische Untersuchungen eingesetzt.7 Standardtestverfahren sind Suchtest, beispielsweise der TPPA-Test (Treponema-pallidum-Partikelagglutinationstest) oder der TPHA-Test (Treponema-pallidum-Hämagglutinationstest). Sollte das Ergebnis für Syphilis positiv sein, wird die Diagnose mittels eines Bestätigungstests (z. B. FTA abs oder Immunoblot) gesichert. Als Verlaufskontrolle der Krankheitsaktivität dient der VDRL (Venereal Disease Research Laboratory) respektive RPR (rapid plasmareagin)-Titer.

Cave: Positive Laborergebnisse bei Syphilis sind nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtig. Der Verdacht auf eine Neurosyphilis muss mittels Liquorpunktion abgeklärt werden.7

Antibiotika sind nach wie vor Mittel der ersten Wahl zur Syphilisbehandlung. Die Standardtherapie für erwachsene Syphilis-PatientInnen beinhaltet Benzathin-Penicil-lin G 2,4 Mio 1x i. m. (gluteal li/re je 1,2 Mio.I.E.) (Abbildung 2).10 Bei der Auswahl der Medikationsschemata wird zwischen der „Frühsyphilis“ (= alle klinischen Formen bis zu einem Jahr post infectionem) und der „Spätsyphilis“ (alle klinischen Formen ein Jahr post infectionem sowie bei unbekanntem Infektionszeitpunkt) unterschieden. Resistenzbildungen gegenüber Makroliden sind in der Literatur beschrieben.7

Wichtig für die Praxis! Eine über ein Jahr (bei Immunschwäche/HIV-Infektion über zwei Jahre) in vierteljährlichem Abstand durchgeführte, sorgfältige klinische und serologische Nachsorge ist bei allen Syphilis-PatientInnen erforderlich.

Abb. 2: Standardtherapie-Empfehlung für die Syphilis bei erwachsenen PatientInnen. [Quelle: Leitfaden STI-Therapie der DSTIG10]

Fazit

Wie Sie sicher gesehen haben, ist allein schon die Diagnose und Therapie dieser ausgewählten und sehr häufig auftretenden STI nicht trivial. Es gibt vieles zu beachten, inklusive Meldepflichten, wie beispielsweise bei der Syphilis. Dennoch ist gerade die urologische Praxis ein bevorzugter Ort, zu dem die PatientInnen gehen, ganz besonders auch dann, wenn sich urogenitale Symptome bemerkbar machen sollten. Zum Thema Jucken, Brennen und Ausfluss werden wir Sie daher im nächsten Beitrag noch etwas dezidierter informieren. Dann wird sich alles unter anderem auch um die Gonorrhoe sowie Chlamydien-Infektionen drehen.

Was Sie sich jedoch bereits bis heute aus diesem Blog mitnehmen können, ist: Mithilfe der Sexualanamnese und einer geeigneten Erregerdiagnostik soll eine frühzeitige Entdeckung von STI und damit einhergehend auch ein rascher Therapiebeginn ermöglicht werden. Weil gegen die meisten STI-Erreger keine Immunität aufgebaut wird, gilt der Vermeidung der Reinfektion große Aufmerksamkeit. Das Stichwort hierbei lautet "Partnerbehandlung"; das können im Zweifel dann durchaus auch mehrere sein.

Wir freuen uns, Sie demnächst zum 3. Teil der Serie "Geschlechtskrankheiten in der Urologie" in diesem Blog wieder begrüßen zu dürfen. Dabei wird es dann vornehmlich um die doch eher urologische Ausfluss-Symptomatik gehen.

Quellen: 
7. Fuchs W & Brockmeyer NH. 2014. CME-Artikel: Sexuell übertragbare Infektionen. JDDG, doi:10.1111/ddg.12310
8. LeGoff J et al., 2014. Diagnosis of herpes simplex virus infection in the clinical laboratory. Virol J 11: 83
9. Van der Pol B et al., 2012. Type-specific identification of anogenital herpes simplex virus infections by use of a commercially available nucleic acid amplification test. J Clin Microbiol 50: 3466
3471
10. Leitfaden STI-Therapie der Deutschen STI-Gesellschaft (DSTIG), 2. Auflage, Version 2.1 (Stand: 10/2014)
11. S2k-Leitlinie, 2017: HPV-assoziierte Läsionen der äußeren Genitalregion und des Anus 

Genitalwarzen und Krebsvorstufen der Vulva, des Penis und der peri- und intraanalen Haut (Kurzfassung); AWMF-Registernummer: 082-008 
12. RKI. Epidemiol. Bull. 1/2018