Neue Vorhaltepauschale: Mehr Bürokratie, weniger Logik – ein Reformkunstwerk der besonderen Art

Die neue Vorhaltepauschale soll Praxen „entlasten“ – zumindest, wenn man unter Entlastung mehr Formulare, neue Ungerechtigkeiten und Kopfschütteln versteht.

Neue Vorhaltepauschale schafft mehr Unsicherheit und Ungerechtigkeit

Bisher hat jeder niedergelassene Arzt für jeden Patienten im Quartal eine definierte Summe X bekommen – dafür, dass dieser die Praxis nutzen konnte, die Toilette und all die Dinge, die ich dem Patienten zur Verfügung stelle. Die Neuregelung soll ab 2026 dazu führen, dass die Vorhaltepauschale berechnet wird, je nach Praxisgröße, nach Ausstattung, etwa einem Behinderten-WC. Da geht es um dutzende Kleinigkeiten. So wird künftig aus einer festen Summe ein Betrag mit drei Fragezeichen. Das Ganze scheint unlogisch, beziehungsweise unfair: Warum soll zum Beispiel eine größere Praxis eine höhere Vorhaltepauschale bekommen? Hinzu kommt: Es wird nach einer langen Liste von Kriterien jedes Quartal neu berechnet. Die Folge: Da blickt keiner mehr durch. Das ist schade, denn bisher war die Vorhaltepauschale ja ein fester Bestandteil des Honorars. Da ging es ursprünglich um basale Dinge: Miete, Strom, Wasserkosten etc.

Es muss eine für alle gleiche, verlässliche Summe geben

Ein Effekt wird sein: Die Bürokratie nimmt weiter zu, wir müssen wieder alle möglichen Dinge und Gegebenheiten nachweisen. Dabei müssen bestimmte Dinge ja ohnehin vorhanden sein, die von jeder Praxis erfüllt sein müssen und u.a. die bei den Hygienebegehungen auch regelmäßig überprüft werden. Ich sehe auch keinen Sinn darin, Anschaffungen wie beispielsweise ein spezielles Blutdruckgerät in die Berechnung der Vorhaltepauschale einzubeziehen. Die Kosten habe ich einmal und dann nicht mehr und kann sie auch gegenfinanzieren. 

Der Trend macht Einzelpraxen unattraktiver

Ich frage mich, worum es bei der Neuerung eigentlich geht. Und ich sehe eine Tendenz: Je größer eine Einrichtung, desto mehr Geld gibt es. Das passt in den Trend zu mehr MVZs, zu dem Ziel, dass sich Ärzte zusammenschließen, dass Einzelpraxen nicht mehr so attraktiv sind, weil es immer weniger Geld für diese gibt. Diese meine Vermutung teilen mehrere Kollegen: Größe wird unterstützt und gefördert. Und Selbständigkeit wird damit allmählich verloren gehen. Es wird wirtschaftlich immer schwieriger, eine Einzelpraxis zu betreiben.

Es geht dabei wohl hauptsächlich um Hausarztpraxen. Fachärzte schließen sich ohnehin schon seit längerem zu großen Apparate-Praxen zusammen. Aber die Landarztpraxen, die für viele so wichtig sind, die keine große technische Ausstattung brauchen, die aber verlässlich für die Menschen vor Ort sind, die werden hier nach unten reguliert. Das kann eigentlich niemand ernsthaft wollen. Es wird doch immer gesagt, dass die ländliche Versorgung gestärkt werden soll. Da erscheint mir die neue Vorhaltepauschale eher wie ein Vorschlaghammer für tapfere Landarztpraxen.

Mehr Impfen für die neue Pauschale?

Zu den neuen Kriterien gehört auch: Es muss eine bestimmte Anzahl von Impfungen erfolgen. Was ergibt das für einen Sinn? Impfungen werden ohnehin extra bezahlt. Was hat das mit der Vorhaltepauschale zu tun? Jetzt gucken wieder manche in die Listen und sehen zu, dass sie dieses und jenes mehr tun, um möglichst auf ihre alte Vorhaltepauschale zu kommen. Das ist doch verrückt! Wir haben wahrlich genug zu tun und genug Bürokratie am Hals. Und zugleich geht immer mehr Individualität verloren. Das ist, nebenbei gesagt, auch unethisch. Denn das geht am Patientenwohl vorbei. Man sieht ja, was in der Radiologie passiert, damit die neuen, teuren Geräte refinanziert werden können.  

Eigentlich wollten wir ja aus Kostengründen und im Sinne der Effizienz die Verwaltung runterfahren. Aber jetzt  beschäftigen sich wieder hunderte Leute mit neuen Regelungen, die natürlich auch gecheckt werden müssen – sehr schade. Meine Meinung ist: Es muss eine verlässliche Summe geben, für alle gleich! 

Sprechende Medizin nicht berücksichtigt 

Ich selbst bin Generation sprechende Medizin, habe also nicht wahnsinnig viel technische Ausstattung. Das gehört zu meinem Berufsbild. Ich spreche mit den Patienten, mache auch Untersuchungen, aber eben ohne teure Geräte, die eventuell in die Vorhaltepauschale einfließen könnten. Ich habe immer die gleiche Praxis, immer die gleiche Arbeit, im Winter habe ich mehr Impfungen, die ich ganz selbstverständlich abrechne, im Sommer etwas weniger. Was hat das mit irgendwelchen Pauschalen zu tun? 

Für mich wird es unterm Strich also wahrscheinlich weniger Geld geben. Da bin ich natürlich not amused.