Lean Management: warum wir alle Potential für Verbesserung haben

Wie Lean Management im Krankenhaus Arbeitsabläufe optimieren kann und so am Ende mehr Zeit bleibt, stellt Prof. Dr. Mandy Mangler vor.

Drei Arbeitsbereiche: Wertschöpfung, notwendige Verschwendung und Verschwendung

Initial stieß dieser Satz bei mir auf Abwehr. Ich war mir sicher, dass alles, was ich tat, wichtig und von großem Nutzen war. Doch nachdem ich mich auf diese These eingelassen hatte, konnte ich meine Gedanken neu sortieren. 

Heute ist Lean Management für mich das stärkste Mittel, das ich kenne, um zurechtzukommen. Lean Mangement ist großartig und immer wieder neu anwendbar, um den Alltag zu verbessern. 

Lean Management - also schlankes Management - teilt unsere Arbeit in drei Bereiche auf: Wertschöpfung, notwendige Verschwendung und Verschwendung. Oft findet man die gleichen Zeitanteile in diesen drei Bereichen. In meinem Führungskräfteworkshop stellte ich dieses Konzept vor. Sofort meldete sich eine Zweiflerin, so wie ich es auch gewesen war: Das könne nicht sein. Der Alltag sei durchgetaktet und alles sei wichtig.

Immer entscheidend: Bringt das der Patientin etwas? 

Ein Gedankenexperiment hilft zu verstehen: Was, wenn wir alles, was im Krankenhaus geschieht,  mit der Fragestellung betrachten: Bringt das der Patientin etwas? Hat es einen Nutzen für sie? Wird sie dadurch gesünder?

So wird es klarer und man wird viele Dinge oder Prozesse finden, die der Patientin nichts bringen. Die sogar ersatzlos gestrichen werden können, ohne dass ein Qualitätsverlust für die Patientin eintritt. 

In meiner Klinik fand ich zahlreiche derartige Prozesse. Zum Beispiel Bücher im OP, in denen die Operationen zusätzlich per Hand dokumentiert wurden. Dies waren einfach Relikte aus vergangener Zeit, niemals hinterfragt und ohne Wert für die Qualität der Behandlung. Oder Besprechungen, die nicht für alle Beteiligten von Nutzen sind und nicht direkt einen Mehrwert für die Behandlung ergeben. Wenn man mit wachen Augen durch die Klinik geht, wird man viele solcher Relikte oder Strukturen finden, die man tatsächlich weglassen kann. 

Wo immer möglich: Wege einsparen

Spannend wird es beim Punkt "notwendige Verschwendung". Unter notwendiger Verschwendung versteht man zum Beispiel Wege, Transport, Warten, überdimensionierte Prozesse. Die Patientin hat nicht direkt etwas davon, aber man kann die Prozesse nicht ersatzlos streichen. Ein Beispiel fand ich auf meiner eigenen Station. Sie erstreckt sich über einen langen Flur. Wenn eine Patientin etwa in Zimmer 23 klingelt, ist es vom Schwesternzimmer aus ziemlich weit bis dorthin. Die Patientin klingelt also, die Krankenpflegende  läuft zum Zimmer, die Patientin bittet um ein Medikament. Die Zuständige läuft zurück, um das Medikament zu holen und dann wieder zur Patientin, um es ihr zu geben und schließlich  wieder zurück. Wir sind uns sicherlich einig, dass dabei die Hälfte des Weges eingespart werden kann - zum Beispiel durch Gegensprechanlagen oder digitale Lösungen, über die man mit der Patientin sprechen kann. In meiner Klinik gab es sogar schon Gegensprechanlagen. Sie wurden nur nicht genutzt. 

Je länger ich mich mit dem Konzept des Lean Managements beschäftigte, desto mehr Möglichkeiten fand ich, die Arbeitssituation meines Teams zu verbessern. Schließlich entschieden wir uns gemeinsam dafür, ein Lean Management Projekt über die Klinik laufen zu lassen. Dabei haben wir uns als Team zahlreiche Prozesse des Alltags angesehen, hinterfragt, optimiert und dabei Zeit gewonnen. Ein Mittel des Lean Managements ist das sogenannte Board, an das jede Mitarbeitende einen Prozess heften darf, den sie für optimierungswürdig hält. Nach und nach betrachteten wir verschiedene Teile unserer Arbeit und veränderten sie hin zu einer passenderen Arbeitsweise.

Zuständigkeiten klar definieren 

Die Vorbereitung von Blutentnahmen beispielsweise wurde in meiner Abteilung  zuvor von Ärztinnen oder Schwestern ausgelöst. Der Prozess war unklar definiert und führte dazu, dass manchmal Blutentnahmen doppelt vorbereitet wurden, manchmal gar nicht. Das störte den Arbeitsfluss. Nach einer genauen Definition ist nun klar, wer zuständig ist. Wir konnten den Prozess optimieren. So fanden wir immer weitere Strukturen und Prozesse, die wir optimieren konnten. Denn die Wahrheit ist, dass wir im Krankenhaus  oft halbe Künstlerinnen sind, wir kommen jeden Tag und gestalten unser “Kunstwerk Alltag“ immer ein bisschen anders, es herrschen Anarchie und Freestyle. Dies ist für optimierte Prozesse hinderlich. 

Meine leitende Oberärztin ist Spezialistin für Lean Management. Neulich traf ich sie an der Kaffeemaschine und wollte sie beeindrucken. Ich stellte zwei Tassen unter die Maschine und sah sie an. Sie lächelte milde und sagte: Echte Lean Mangerinnen sparen sich das Umrühren und schütten erst die Milch in die Tasse und lassen dann den Kaffee rein… Demütig erkannte ich, dass man sich immer noch weiter optimieren kann, auch wenn man denkt, man hat das Endlevel schon erreicht.

In diesem Sinne wünsche ich viel Erfolg! 

Ihre Mandy Mangler