Ich habe ein Allheilmittel entdeckt. Es ist wirksam, rezept- und glutenfrei, gut verträglich und hat praktisch keine Nebenwirkungen – außer gelegentlichen Bauchmuskelkater. Der Name dieses Wundermittels? Humor.
Nun ja, ganz neu ist diese Entdeckung nicht. Aber im hektischen Klinikalltag geht Humor leider oft unter einer Schicht von Dienstplänen, SOPs und Kaffeeflecken im Dienstzimmer unter. Dabei wirkt er nicht nur angenehm, sondern auch medizinisch nachweisbar positiv.
Lachen ist gesund. Das klingt nach Kalenderspruch, ist aber wissenschaftlich belegt. Studien zeigen, dass Humor bei Krankenhauspersonal das Stresslevel senkt, Burnout vorbeugt und die Arbeitszufriedenheit erhöht. Ein Team, das gemeinsam lacht, arbeitet besser zusammen, bewältigt Konflikte konstruktiver und bleibt – Überraschung! – gesünder.
Und auch Patientinnen und Patienten profitieren. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2021 fand Hinweise darauf, dass Humorinterventionen in der Onkologie nicht nur Ängste und Schmerzen reduzieren können, sondern auch die Lebensqualität steigern. Wer hätte gedacht, dass ein Witz bei der Visite womöglich hilfreicher wirkt als der dritte Schmerzmittelwechsel?
Ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Humor bei Heilung unterstützen kann, sind die Roten Nasen. Diese Klinikclowns bringen vor allem schwer kranke Kinder zum Lachen – und deren Familien gleich mit. Und nein, das ist nicht bloß nett gemeint, sondern messbar nützlich: Studien belegen, dass Clown-Visiten Stresshormone senken und das Immunsystem stärken.
Dass auch Fachpersonal über sich selbst lachen kann – und sollte – zeigen Social-Media-Formate wie die OP-Bros. Mit einer Mischung aus Memes, OP-Slang und Alltagssatire treffen sie genau den Nerv des medizinischen Personals im Ausnahmezustand – also, sagen wir: immer. Wer lacht, vergisst kurz die 80-Stunden-Woche und erinnert sich: Ach ja, ich bin auch Mensch. Ich bin nicht alleine. Sogar Anästhesistinnen können witzig sein, wie die Berliner Comedian Anissa Loucif beweist. Um das Humorlevel unseres Teams in der Klinik zu steigern haben wir neulich eine ihrer Vorstellungen besucht – sie erzählt, wie hoch sie typische Berliner Patienten für eine Narkose dosieren muss, dass sie das an der Anzahl der Tattoos schon vorhersehen kann und was ihr im Klinikalltag alles Witziges begegnet – hiermit ein ungefragter (und – schade – unbezahlter) Hinweis auf ihre Deutschlandtour, die zeigt wie viel Humor in Medizin steckt.
Humor macht auch klüger. Als ich mich gefragt habe, wie ich meine Lehre für Studierende verbessern kann, bin ich auf einen Improvisationstheaterkurs für Lehrende gestoßen. Dort habe ich gelernt, wie man mit Spontaneität und einem Augenzwinkern auch sperrige Lehrinhalte unterhaltsam vermitteln kann. Und siehe da: Die Studentinnen lachten – und hörten besser zu. Und der Kurs hat natürlich übertrieben viel Spaß gemacht und meine eigene Lebensqualität gesteigert.
Eine aktuelle Studie der Bundesinstituts für Berufsbildung und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zeigt, dass Humor sogar gegen Fachkräftemangel hilft! Viele unter uns haben Probleme MFAs zu finden, die in Sprechstunden, Praxen oder im Krankenhaus helfen. Die Studie zeigt, dass Humor – wenn er richtig eingesetzt wird – für das berufliche Wohl- und Kompetenzbefinden von MFAs von entscheidender Bedeutung sein kann. Es wurde in der Studie zwischen wohlwollendem Humor und satirischem Humor unterschieden. Die meisten MFAs schätzten besonders wohlwollenden Humor und Spaß. Dieser hinge, so die Studienleitung, positiv mit beruflichem Wohl- und Kompetenzempfinden zusammen. Es zeigte sich auch, dass ein Teil der MFAs, die aus der Allgemeinmedizin, satirischen Humor schätzen. Es kommt wohl wie immer auf die richtige Dosierung an.
In der Onkologie arbeite ich gerne mit Lachyoga. Wir haben das im Team gemeinsam ausprobiert. Es kam eine zertifizierte Lachyoga-Expertin zu uns und wir haben in einem Raum zusammen laut Hohohoho-hahahaha-hihihihihi gerufen, dabei sind wir durch den Raum getanzt und haben Grimassen gemacht. Hochgradig lustig, nach dem dritten künstlichen Hohoho lacht man echt und richtig, besonders wenn man der leitenden Oberärztin dabei zusieht wie sie ihre trägen Lachmuskeln bemüht. Also ich verspreche: Nach drei Minuten künstlichem Lachen beginnen alle irgendwann wirklich zu lachen. Und wenn Endorphine einmal unterwegs sind, gibt es kein Halten mehr – wir haben das Angebot für unsere Tumorpatientinnen aufgenommen, nachweislich steigt die Lebensqualität und die Lebenserwartung ebenso und das ist evidenzbasiert.
Falls Sie jetzt denken: „Ich bin einfach kein lustiger Mensch“ – keine Sorge. Komik ist kein angeborenes Talent, sondern ein Muskel, der trainiert werden kann. Sagen zumindest professionelle Comedians – und die sollten es wissen. Außerdem: Auch Empathie, Menschenführung und Endoskopie haben wir uns im Medizinstudium und danach mühsam beigebracht. Warum also nicht auch Lachen? Es gibt Bücher, Podcasts und Seminare zum Thema Humor, das kriegt man hin. Humor ist erlernbar, Humortabletten verschreibbar.
Mein Fazit ist, Humor ist eine ernste Angelegenheit und daher auch meine Empfehlung für alle Kolleginnen und Kollegen: Nehmen Sie Humor so ernst wie Ihre Hygienevorschriften. Bringen Sie Witz in die Morgenbesprechung, Charme in den OP und Leichtigkeit in den Dienstplan (na gut, letzteres ist vielleicht doch ein Wunder zu viel).
Aber ganz ehrlich: In einer Welt, in der uns so oft die Hände gebunden sind, ist Lachen eines der wenigen Dinge, das wir einfach so tun können. Es kostet nichts, heilt viel – und macht den Klinikalltag ein Stück menschlicher.
Lassen Sie uns gegenseitig Humor verschreiben!
Ganz ernst gemeinte Grüße
Ihre Professor Mandy Mangler
Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Improvisationstalent & Humor-Aktivistin