Schon lange geht es um die Zeit, die wir der Ärzte für die Kommunikation aufwenden können - sprich also, die Möglichkeit, diese so wichtige Leistung auch abrechnen zu können. Aktuell in der Diskussion ist einmal wieder, diese Leistungen etwas aufzuwerten, gegenüber der Apparatemedizin. Für uns Hausärzte wäre das neben der Entbudgetierung tatsächlich sehr wünschenswert. Und eigentlich ist das auch überfällig.
Jetzt endlich ist uns die Zahl der Patienten, die wir behandeln, freigestellt - wir dürfen sie wirklich alle abrechnen. Nun muss es darum gehen, dass das, was wir mit ihnen und für sie tun, auch tatsächlich bezahlt wird. Im Falle von uns Hausärzten sind das nun einmal sehr viele zeitaufwändige Gespräche. Wir sprechen sehr viel, wir haben viele psychosomatische Fälle, und wir setzen generell weniger Technik ein als andere Fächer. Das wird bisher nicht honoriert.
Wer mit teuren Geräten arbeitet, bekommt sehr viel Honar, wer viel reden muss, guckt in die Röhre. Unsere Gesprächsleistung, also eine unserer Haupttätigkeiten, machen wir bislang gratis. Doch wir müssen über die häusliche, soziale, die psychische Situation und Probleme der Patienten Bescheid wissen. Das ist eine vordringliche hausärztliche Aufgabe. Die Familiengeschichte, die Erkrankungen in der Familie - diese Dinge gehören meist zur erfolgreichen Behandlung dazu. Das kostet natürlich vor allem eins: sehr viel Zeit.
Es ist bekannt, dass viele Erkrankungen unserer Patienten in den Hausarztpraxen psychosomatische Ursachen haben. Das muss im geduldigen Gespräch diagnostiziert und den Patienten in Ruhe erklärt werden. Notfalls auch mehrmals. Da geht es oft auch um Ernährung, um Bewegung, um die gesamte Lebensführung.
Inzwischen haben wir ja mündige Patienten, das ist gut. Wir können heute nicht einfach eine Tablette verschreiben, ohne sie zu erklären. Der Patient wird in die Lage versetzt, selbst zu entscheiden, ob er die Medikation so möchte. Er hat Fragen, er hat sich vorinformiert, er will die Nebenwirkungen und die Alternativen erklärt bekommen. Aufklärung ist mittlerweile sehr wichtig geworden, das war früher anders. Da genügte die Autorität des Arztes, man nahm die Verschreibung als gegeben hin. Früher haben wir einem an Diabetes erkrankten Menschen Metformin verschrieben. Heute müssen wir gemeinsam mit dem Patienten entscheiden, ob er schon eine Begleiterkrankung oder ein hohes Risiko dafür hat. Denn dann müssen wir ihn gleich mit zwei verschiedenen Medikamenten behandeln. Und auch ohne dieses Risiko, muss ich zusammen mit dem Patienten entscheiden, ob er eine oder zwei Sorten Tabletten nehmen soll, beziehungsweise will. Ich muss die individuellen Risiken für Herz-und Nierenerkrankungen dann erörtern. Und das ist für den Einzelnen natürlich sehr relevant und nicht in zwei Sätzen erledigt. Viele verschiedene Therapieoptionen sind wunderbar - sie bedeuten aber in der Praxis auch viel Aufwand. Wir sind schließlich auch rechtlich verpflichtet, über Nebenwirkungen aufzuklären.
Und immer öfter sitzt auch Dr. Google mit am Tisch. Da kommt dann ein Patient mit Sodbrennen und glaubt, er habe Magenkrebs. Er habe gelesen, dass sei ein Symptom von Magenkrebs. Ich rede also oft gegen Falschinformationen an. Das ist manchmal wie ein Kampf mit Windmühlenflügeln. Kurz: Alle, die sich damit auskennen, wissen schon lange, dass die sprechende Medizin besser wertgeschätzt und auch bezahlt werden muss. Die neuerliche Diskussion ist für die Hausärzte erfreulich, wobei die Fachärzte natürlich sagen können: Gut und schön - wo kommt denn das Geld für Gespräche in den Hausarztpraxen her? Wird das dann bei uns eingespart? Das will natürlich auch niemand.
Wir brauchen immer mehr Zeit, und die ist nicht länger umsonst. Gefühlt muss ich heute doppelt so viel reden wie in meinen Anfangsjahren. Wir brauchen also besondere Ziffern für Gesprächsleistungen, und die müssen so oft abrechenbar sein, wie die Gespräche tatsächlich stattfinden - und nicht wie aktuell, da eine Ziffer existiert, mit der nur einmal im Quartal die Erörterung lebensbedrohlicher Neuerkrankungen abgerechnet werden kann. Mehr gibt es derzeit nicht. Wir erwarten hier adäquat zur Entbudgetierung eine deutliche Verbesserung.
Dr. med. Petra Sandow ist Fachärztin für Allgemeinmedizin mit dem Schwerpunkt Infektiologie. Sie studierte Humanmedizin in Berlin und Münster. Nach klinischer Tätigkeit in der Gynäkologie und Inneren Medizin ist sie seit mehr als 30 Jahren als Hausärztin in eigener Praxis in Charlottenburg niedergelassen.