Hurra! Die Budgetierung ist gefallen - aber lasst uns mal die Abrechnung abwarten!

Während Hausärzte sich über die Entbudgetierung freuen, bleiben Fachärzte weiterhin den Herausforderungen der Obergrenzen ausgesetzt. Dr. Petra Sandow fragt sich, welche Auswirkungen dies auf die Dynamik in den Praxen haben wird.

Spaltung der Ärzteschaft durch ungerechte Budgetierung

Fachärzte reden derzeit von Spaltung der Ärzteschaft. Der Grund: Die verhasste Budgetierung für Hausärzte ist endlich gefallen, für Fachärzte jedoch nicht. Man kann das durchaus ungerecht finden. Ich wende aber ein: Wir Hausärzte arbeiten ja nicht mit Terminvergabe. Die Patienten stehen direkt bei uns in der Praxis, wenn sie ein Problem haben - natürlich auch dann, wenn wir längst genug im Quartal gearbeitet haben. Fachärzte können ihre Termine dagegen selbst regulieren. Mit den Budgetobergrenzen können sie daher einigermaßen flexibel umgehen, weshalb ja Patienten oft auch monatelang auf einen Termin warten müssen. Bei uns sah es aber lange so aus, dass wir drei Monate gearbeitet haben und nur zwei bezahlt bekamen. Wir sind verpflichtet, jedem zu helfen. Zum Facharzt gehen die Leute in der Regel nur mit einer Überweisung. Deswegen ist es supertoll, dass wir Hausärzte jetzt erst einmal Luft zum Atmen bekommen, und nicht - wie lange Zeit üblich - ein Drittel des Quartals umsonst arbeiten müssen.

Wenn man allerdings dem Problem zu Leibe rücken möchte, dass Patienten ewig auf einen Facharzttermin warten müssen, wäre auch für diese eine Entbudgetierung durchaus sinnvoll. Sie wären dann sicher eher bereit, mehr Termine zu vergeben und eventuell auch etwas länger zu arbeiten, wenn es sich für sie lohnen würde. Die Patienten würden profitieren.

Auswirkungen auf die Patientenversorgung

Nebenbei gesagt, führt das System der Budgetierung leider auch dazu, dass schlechtere Mediziner davon profitieren können. Patienten sehen sich aufgrund der üblichen Wartezeiten oft gezwungen, zu jemandem zu gehen, der nicht so viele Patienten hat. Und das sind im wahren Leben oft diejenigen, die nicht so besonders toll sind. Das ist genauso wie bei einer Autowerkstatt. Welche ist immer voll? Die gute oder die schlechte? In die bestimmte Praxen gehen dann die Leute genau einmal und dann nie wieder. Aber durch die Budgetierung bekommen auch diese Praxen ohne Patientenstamm immer wieder Patienten-Nachschub - weil Menschen eben akut Hilfe brauchen und ihnen gar nichts weiter übrig bleibt, als sich im Netz irgendjemanden zu suchen. Das Ganze konterkariert übrigens im Endeffekt auch die freie Arztwahl. Hinzu kommt: Praxen haben auch bestimmte Schwerpunkte. Nicht jeder Patient kann überall gleich gut betreut werden. Ich habe zum Beispiel unter anderem den Schwerpunkt Drogenpatienten. Man kann also wirklich nicht alle Praxen über einen Kamm scheren. Und das soll ja nun glücklicherweise wenigstens für uns Hausärzte beendet sein. Es klingt erstmal richtig schön, dass endlich alles bezahlt wird, was auch geleistet wird.

Ungewisse Zukunft

Wir sind allerdings sehr gespannt, wie sich das Ganze konkret gestaltet. Denn die Auswirkungen auf den Punktwert sind ja völlig unklar. Wenn ich beispielsweise statt 800 Patienten plötzlich 1.200 abrechne, heißt das noch lange nicht, dass ich mehr Geld bekomme - wenn nämlich der Punktwert fällt, weil alle mehr aus dem großen Topf abrufen. Das ist durchaus denkbar. Darüber spricht keiner. Das wird sich erst im Juli bei der ersten Abrechnung ohne Budgetierung zeigen. Denn der Punktwert ist nunmal keine feste Größe. Wenn also der Punktwert entsprechend sinkt, dann haben wir am Ende genau gar nichts gewonnen.

Es kann also nur dann funktionieren, wenn der Topf zusätzlich aufgefüllt wird - oder dass aus dem fachärztlichen Topf etwas genommen und Richtung Hausärzte umgeschichtet wird. Da wären wir dann wieder bei der Spaltung der Ärzteschaft. Aber das ist bisher alles das süße Geheimnis des Gesundheitsministers. Mein Bauchgefühl bleibt aus Erfahrung skeptisch und sagt: Es wird alles so bleiben, wie es ist. Nur eben anders!
 

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