ESGO 2022: Kochen und Singen gegen Krebs!

Prof. Sehouli teilt im Interview seine persönlichen Highlights des diesjährigen ESGO Kongresses - warum die diesjährige Veranstaltung etwas ganz Besonderes war sowie übers Kochen, Musik und Medizin.

Im Gespräch mit Prof. Dr. Sehouli übers Kochen, den Kongress und neue Erkenntnisse aus der gynäkologischen Onkologie

esanum: Prof. Sehouli, man sah Sie dieses Jahr in Kochschürze auf dem ESGO-Kongress – wie kam es dazu?

Ich bin überzeugt:  Nur die Kultur bringt uns weiter, und Essen gehört dazu. Ernährung ist so wichtig, Ernährung verbindet, beugt vor, heilt und bringt Freude. Deswegen die Idee zum Cooking-Event. Das europäische Gericht haben wir gemeinsam mit Spitzenkoch Volker Osieka, Bestseller-Autorin Schwester Teresa, Feinkostspezialist Omar Saad und dem Koch des Jahres Max Stiegl zusammengestellt. Beteiligt waren 77 Selbsthilfegruppen. Und ich selbst habe natürlich sehr gern mitgekocht. Begleitend gab es Fachvorträge zum Thema Ernährung und Krebs, die auch mit einigen Mythen aufräumen sollten. Die ganze Aktion ist Teil des Aktionsjahres „Kochen gegen Krebs“ der Deutschen Stiftung Eierstockkrebs. Dem Motto haben sich Sterneköchinnen, Restaurantbesitzerinnen, Kochbuchautorinnen und Food-Bloggerinnen angeschlossen, darunter Johann Lafer, Sarah Wiener, Julia Holz, Michel Kempf. 

esanum: Was wurde denn alles aufgetafelt?

Es war ausdrücklich ein Gericht für Europa: Ein Nudelweizenmenü, türkische Linsensuppe, ein Fischgericht, Salate aus der spanischen und serbischen Küche, alles mit italienischen und französischen Kräutern und Gewürzen, sowie eine französische Chocolat Tarte. Wir wollten auch zeigen, dass wir in Europa alle Hybride sind.

Neue Leitlinien in der gynäkologischen Onkologie

esanum: Dann war der ESGO Kongress diesmal also etwas ganz Besonderes?

Durchaus. So einen Kongress hat unsere Fachgesellschaft noch nie erlebt. Wir hatten auch einiges zu feiern. Vor 15 Jahren hatte die ESGO schon einmal in Berlin getagt und damals ENGOT, die größte Studiengruppe für gynäkologische Krebserkrankungen der Welt, initiiert. Und wir haben das zehnjährige Jubiläum der Gründung der europäischen Selbsthilfegruppen gefeiert. Passend dazu haben wir eine tolle Eröffnungszeremonie erlebt – mit dem ukrainischen Ärztepräsidenten als Ehrengast, mit dem Star Kool Savas, mit anderen wunderbaren Musikern, Ärzten und Patientinnen, die den Saal gerockt haben.  

esanum: Und was war fachlich los?

Wir haben erstmals sechs neue europäische Leitlinien vorgestellt. So beispielsweise zum Eierstockkrebs, zum Vaginalkarzinom, zum Gebärmutterhalskrebs und zum Gebärmutterkörperkrebs. Sie alle sind jetzt auf wissenschaftlicher und klinisch praktikabler Basis europaweit harmonisiert.

Sehr spannend war das Poster von Dr. David-Johannes Krankenberg. Er hat eine Patientin der Charité getrackt. Er hat über zweieinhalb Wochen geschaut, wie viele medizinische Angestellte mit ihr direkt und indirekt beschäftigt waren. Es waren 144 Menschen aus den verschiedensten Professionen, aus der Administration, der Physiotherapie, der Pflege, der Ernährungsmedizin, der Pathologie und so weiter. Das zeigt auf einen Schlag, wie komplex diese Erkrankungen sind und wie wichtig interprofessionelles Arbeiten ist.

Ein Highlight war auch die Arbeit der NOGGO (Nord-Ostdeutsche Gesellschaft für Gynäkologische Onkologie), die von Dr. Lukas Heukamp vorgestellt wurde. Er zeigte den ersten deutschen akademischen Test, der identifizieren kann, welche Eierstockkrebs-Patientin eine Erhaltungstherapie braucht oder eben nicht. Das ist der erste akademische Test, der die genomische Instabilität beim Eierstockkrebs misst. Das ist auch deswegen großartig, weil wir damit das Gewebe nicht mehr wie bisher nach Amerika oder andere Länder schicken müssen, wo sie kommerziell getestet wurden, ohne dass wir entsprechende Daten zurückbekamen. Wieder ein großer Schritt in Sachen personalisierter Medizin.