Wochenrückblick Gesundheitspolitik: steigende Kosten für Kranken- und Pflegeversicherung

Kranken- und Pflegeversicherung werden bald wieder teurer, junge Augenärzte möchten überwiegend als Freiberufler arbeiten: mehr aus KW 08 erfahren.

Kranken- und Pflegeversicherung werden bald wieder teurer

In einem Brandbrief an Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesfinanzminister Christian Lindner haben gesetzliche Kranken- und Pflegekassen sowie die Sozialverbände gefordert, Defizite von bis zu fünf Milliarden Euro durch erhöhte Bundeszuschüsse abzudecken. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat sich mit solchen Forderungen – zuletzt im Zusammenhang mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz – allerdings nicht durchsetzen können und geht davon aus, dass die Einhaltung der Schuldenbremse Priorität haben wird.

Unterdessen hat das Bundesgesundheitsministerium einen Referentenentwurf für Beitragserhöhungen und Leistungsverbesserungen der Pflegeversicherung vorgelegt. Danach soll der Beitragssatz ab dem 1. Juli für Kinderlose um 0,6 auf 4 Prozent steigen. Die Beitragssätze liegen je nach Anzahl der Kinder zwischen 3,4 und 2,8 Prozent, die Arbeitnehmeranteile zwischen 1,7 und 1,1 Prozent. Die erwarteten Mehreinnahmen werden auf rund sechs Milliarden Euro beziffert. Dem stehen allerdings auch Leistungsverbesserungen gegenüber, die Anfang 2024 in Kraft treten sollen. In der häuslichen Pflege werden das Pflegegeld sowie die Mittel für Sachleistungen um 5 Prozent erhöht. Die Zuschläge für Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen werden in Abhängigkeit von der Aufenthaltsdauer zwischen 10 und 5 Prozent angehoben. Ferner wird das Programm zur Förderung guter Arbeitsbedingungen um 100 Millionen Euro aufgestockt. Zusammengenommen kosten Kranken- und Pflegeversicherung normal verdienende Bürger dann mehr als 20 Prozent ihres Arbeitslohns, und das Ziel, die Sozialkosten bei 40 Prozent der Löhne zu beschränken, wird verfehlt.

Auch die gesetzliche Krankenversicherung bleibt weiter unter finanziellem Druck. So erwartet der Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen einen von derzeit rund 16 auf 22 Prozent im Jahr 2035 steigenden Beitragssatz. Vor diesem Hintergrund schlägt Raffelhüschen ein gestaffeltes Franchisenmodell vor, in dem Versicherte bis zu 2000 Euro ihrer Krankheitskosten selbst übernehmen, bevor die Krankenkassen sie erstatten. Derartige Überlegungen werden von Lauterbach abgelehnt.

Entbudgetierung für Pädiatrie: Ministeriumspläne einstweilen gestoppt

Offenbar auf Betreiben der FDP-Fraktion hat der Gesundheitsausschuss eine Reihe von Änderungsanträgen, zu denen auch das Verfahren für die Herausnahme der kinderärztlichen Vergütung  aus der Budgetierung gehört, vorläufig aus den Beratungen für das geplante Gesetz zur Stiftung Unabhängige Patientenberatung herausgenommen. Die Änderungsanträge werden daher nicht Gegenstand der Anhörung am 1. März sein. Das geplante Entbudgetierungsverfahren wurde von der KBV als außerordentlich aufwendig und bürokratisch kritisiert. Das hatte auch die FDP-Fraktion aufgegriffen und dabei auf den Koalitionsvertrag verwiesen. Bei weiteren Änderungsanträgen ging es um die Abschaffung des Verbots der Blutspende für MSM und Transpersonen, die Aufgaben der Kassen bei lebensweltbezogener Prävention und die Verordnung von Krankenfahrten zur tagesstationären Behandlung durch Krankenhäuser.

Ärzteumfrage: Gern Freiberufler, am liebsten in Teilzeit

96 Prozent der jüngeren Augenärzte, die selbstständig in eigener Praxis oder in Kooperation mit einem Kollegen arbeiten, sind sehr zufrieden mit ihrer beruflichen Situation. Das geht aus einer Online-Umfrage der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft und des Berufsverbandes der Augenärzte unter Kolleginnen und Kollegen im Alter von bis zu 49 Jahren hervor. Das Durchschnittsalter der 1.014 antwortenden Ärzte lag bei 39 Jahren. Die Mehrheit der angestellten Ärzte in der vertragsärztlichen Versorgung strebt danach mehrheitlich in die Selbstständigkeit. Von den Krankenhausärzten will etwa die Hälfte in der Klinik bleiben, rund ein Drittel will sich in der vertragsärztlichen Versorgung als Freiberufler niederlassen, nur 15 Prozent streben eine Angestelltentätigkeit etwa in einem MVZ an. Wunsch und Realität klaffen aber auseinander: Der Anteil angestellter Augenärzte in MVZ hat sich zwischen 2016 und 2022 von 8,3 auf 18,9 Prozent mehr als verdoppelt. Der Anteil der Selbstständigen ist von 60,6 auf 39,1 Prozent gesunken. Überdurchschnittlich ist der Frauenanteil unter den Angestellten.

Weniger MFA starten in die Ausbildung 

Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge für den MFA-Beruf ist im vergangenen Jahr um 500 auf 16.656 gesunken. Angesichts eines ungebrochenen Bedarfs erwartet der NAV-Virchowbund aufgrund dieser Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung negative Auswirkungen für die wachsenden Anforderungen an die Patientenversorgung. Verschärft werde dies durch den Trend, dass erfahrene MFA ihren Beruf zumeist für immer verlassen. Es sei notwendig, "das Ruder herumzureißen und die Arbeitsbedingungen der MFA attraktiver zu machen", fordert Dr. Dirk Heinrich, der Bundesvorsitzende des NAV-Virchowbundes. Heftige Vorwürfe macht Heinrich den Kassen: In Honorarverhandlungen negierten sie Gehaltssteigerungen für MFA, aber für eigene Zwecke werben sie den Ärzten diese Berufe mit doppelt so hohen Gehältern ab.  

GKV und Uniklinika vereinbaren Genomsequenzierung zur Diagnose seltener Krankheiten

Mit einem Modellvorhaben werden der GKV-Spitzenverband und 20 Universitätsklinika in Deutschland mit Einführung der Genomsequenzierung die Diagnosefindung von seltenen Krankheiten intensivieren und verbessern. Ferner soll das Projekt „TRANLATE NAMSE“ des Gemeinsamen Bundesausschusses in der ambulanten Versorgung der Unikliniken etabliert werden. Nach Auffassung des GKV-Spitzenverbandes sind die Zentren für Seltene Erkrankungen eine geeignete Infrastruktur für diese Modellvorhaben. Die Umsetzung soll Anfang 2024 beginnen.  

EU plant Anreizsystem für innovative Antibiotika

Zur Förderung von Innovationen in der antibiotischen Therapie und als Strategie gegen das wachsende Risiko von antimikrobiellen Resistenzen hat die EU-Kommission in ihrem Paket zur Reform der Arzneimittel-Regulation einen Vorschlag aus der forschenden Arzneimittelindustrie aufgegriffen. Danach ist geplant, dass ein Unternehmen, das eine neuartige antibiotische Substanz entwickelt hat, einen Anspruch auf eine "Transferable Exclusivity Extension" (TEE) bekommt. Damit wird dem Problem begegnet, dass das neue Arzneimittel nur im Ausnahmefall und sehr gezielt eingesetzt werden muss, um seine Wirksamkeit auf Dauer zu erhalten. Das beschränkt das Umsatzpotential solcher Arzneimittel beträchtlich. Um diesen Nachteil zu kompensieren, können die Exklusivitätsrechte für die antibiotische Neuentwicklung für eine gewisse Zeit auf ein anderes umsatzstarkes Produkt ausgeweitet werden, um damit eine Erlössteigerung zu finanzieren. Außerdem – das ist wichtig für Start ups, die keine eigenen umsatzstarken Produkte haben – kann das erweiterte Exklusivitätsrecht auch an andere Unternehmen verkauft werden.