Husten: Acht Wochen lang abwarten und Tee trinken?

Gibt es beim Husten was Neues? Ja, eine neue Leitlinie der DGP – erstmals explizit für Pneumologen.

Gibt es beim Husten was Neues? Ja, eine neue Leitlinie der DGP – erstmals explizit für Pneumologen.

Die uns allen mehr oder weniger gut vertraute S3-Leitlinie der DGP zum Husten stammt von 2004 und wurde 2010 aktualisiert. Nach über acht Jahren stand jetzt mal wieder eine Neuauflage an und diesmal hat sich die Fachgesellschaft für die Fokussierung auf ihre eigene Klientel als Hauptzielgruppe entschieden. Das Augenmerk wurde demzufolge auf "differenzialdiagnostische und therapeutische Probleme bei Patienten, die vom Allgemeinarzt zur Abklärung überwiesen werden" gerichtet.1

Neue S2k-Leitlinie der DGP: speziell an Lungenärzte gerichtet

Eine gute Idee der Leitliniengruppe unter Federführung des niedergelassenen Pneumologen Dr. Peter Kardos (Frankfurt), die eine Level-Absenkung hinsichtlich der Systematik nach dem Stufenklassifikationsschema der AWMF zur Folge hat: S2k statt S3.

"S2k" bedeutet nach dem AWMF-Regelwerk, dass die Leitlinie nicht evidenz-, sondern konsensbasiert ist. Ihrer strukturierten Konsensfindung liegt keine systematische Aufbereitung der "Evidenz" zugrunde. Die "unter neutraler Moderation" diskutierten und konsentierten Empfehlungen sind deshalb nicht mit Angaben zu Evidenz- und Empfehlungsgraden versehen. Ihrem Gebrauchswert als Orientierungshilfe für die Praxis dürfte das eher wenig anhaben …

Und was gibt es nun Neues zum Husten? Nicht viel, um ehrlich zu sein.

Klassifizierung in akut, subakut und chronisch

Vom internationalen Vorbild wurde die Klassifizierung in akuten, subakuten und chronischen Husten übernommen (akut: bis zu 2 Wochen; subakut: 2–8 Wochen; chronisch: länger als 8 Wochen). Anders als beim chronischen Husten muss man bei der subakuten Form normalerweise nicht zu technischen Untersuchungsmaßnahmen greifen, da es sich häufig um die Folge eines prolongiert ablaufenden Infekts handelt, so die Experten.

Die häufig unbefriedigende Situation in der Praxis bleibt damit bestehen – beim chronischen, zu 20% idiopathischen Verlauf, aber auch beim banalen Erkältungshusten: hier die patientenseitige Erwartungshaltung und der Behandlungsdruck, dort die begrenzten Möglichkeiten zur effektiven Behandlung. Leserkommentar eines (nicht-pneumologischen) Kollegen: "Dass wochenlanger Husten erschöpft, können wir gut nachvollziehen. Aber 8 Wochen, ohne weiter zu intervenieren?"

Der Erkältungshusten ist halt eine Domäne der Selbstmedikation. In der Leitlinie heißt es zu pflanzlichen Medikamenten mittlerweile: "Die Datenlage für diese Phytotherapeutika für die Indikation akute Bronchitis ist häufig besser als für synthetische Expektorantien."

Antibiotika: "nur in wenigen Ausnahmefällen indiziert"

Was man schon kennt: Die Experten (auch der DEGAM, deren Hustenlinie für Hausärzte aus dem Jahr 2014 in diesem Frühjahr zur Revision ansteht) mahnen das Zurückfahren des nicht indizierten Einsatzes von Antibiotika bei Erkältungsinfekten und akuter Bronchitis an.

"Eine antibiotische Therapie ist nur in wenigen Ausnahmefällen indiziert (Ältere und/oder Patienten mit Komorbidität)", heißt es in der siebten und letzten der "praktischen Empfehlungen", die sich in der Zusammenfassung am Leitlinienende finden. Dort wird auf die Bedeutung atemphysiotherapeutischer Maßnahmen bei chronisch produktivem ineffektivem Husten und probatorisch bei therapieresistentem chronischem Reizhusten hingewiesen. Und auch auf die Bedeutung der Adhärenz, die bei der Verordnung zu berücksichtigen ist. Der Patient sollte die Übungen schließlich auch zuhause selbständig und regelmäßig durchführen.

Opiate beim Erkältungshusten "nicht wirksamer als Placebo"

Ansonsten sind die Möglichkeiten der symptomatischen Behandlung des Hustens leider immer noch "sehr begrenzt". Der protussive Ansatz mit Expektoranzien vermag im besten Fall einen Beitrag zur "subjektiven Besserung" zu leisten, beim antitussiven Ansatz sind Opiate zwar weiterhin der Goldstandard, beim Erkältungshusten aber "nicht wirksamer als Placebo".

Über diese, auf einem neueren Cochrane-Review basierende Erkenntnis wurde schon beim letztjährigen DGP-Kongress berichtet. Der damit befasste esanum-Beitrag erwähnt zudem – wie die aktualisierte Leitlinie – neue Wirkstoffe, die sich noch in der Entwicklung befinden und direkt an der Hustenreizrezeption im Nervensystem ansetzen: NMDA-Antagonisten, PDE-Inhibitoren und P2X3-Antagonisten.

Gefapixant et al: Hoffnungsträger für die medikamentöse Hustentherapie

Bei den P2X3-Rezeptoren handelt es sich um ATP-abhängige Ionenkanäle an sensorischen Neuronen der Atemwege, deren Aktivierung zur nervalen Sensibilitätssteigerung führt. Das ATP und die bronchiale Hyperreagibilität spielen beim chronischen Husten eine zentrale pathophysiologische Rolle. Als erster oraler P2X3-Antagonist gilt das Diaminopyrimdin Gefapixant (MK-7264, früher AF-219) als Hoffnungsträger für die erste Zulassung eines Arzneimittels gegen chronischen Husten.

Nach positiven Resultaten in Phase-II-Studien (häufigste Nebenwirkung: reversible Geschmacksstörungen) hat der Hersteller Merck nun zwei globale Phase-III-Studien mit insgesamt über 2.000 Patienten mit refraktärem oder ungeklärtem chronischen Husten und einer Behandlungsdauer von bis zu  einem Jahr initiiert.2

Zurück zur neuen S2k-Leitlinie (PDF-Link): Sie enthält bei gleicher Schlankheit (38 Seiten) mit 48 Empfehlungen elf mehr als ihre S3-Vorgängerversion. Zusammen mit 16 Statements werden sie gleich zu Beginn übersichtlich aufgelistet.

Verdacht auf Reflux: keine Probetherapie ohne ösophageale Symptomatik

Kapitel 6.8 befasst sich mit dem Husten bei gastroösophagealem Reflux. Das Statement S13 lautet: "Protonenpumpeninhibitoren (PPI) sind für die Indikation chronischer Husten in randomisierten kontrollierten Studien Placebo nicht überlegen." Und die Empfehlung E23: "Eine Probetherapie einer gastroösophagealen Refluxkrankheit mit ausschließlich extraösophagealer Symptomatik (chronischer Husten ohne Sodbrennen oder Aufstoßen) soll nicht durchgeführt werden."

Im Kommentar zu einem zweiten esanum-Artikel über die neue DGP-Leitlinie wundert sich ein Kollege bzw. eine Kollegin: "Ich wusste nicht, dass PPIs bei Sodbrennen-assoziiertem Husten nicht wirken. Hier hätte ich sehr gerne mehr Informationen."

Bitteschön: Zur Aktualisierung der Leitlinienempfehlung für das Vorgehen bei Reflux-bedingtem Husten (ACCP clinical practice guidelines for management of reflux-cough syndrome) sichtete im Jahr 2016 eine überwiegend US-amerikanische Autorengruppe die Studienlage.3 Das Ergebnis: Für den isolierten Einsatz von PPI zur Behandlung des Reflux-bedingten Hustens war kein signifikanter Effekt gegenüber Placebo zu erkennen.

Das könnte in einigen Fällen daran liegen, dass auch ein nur gering saurer Reflux mit Pankreasenzymen und Galle trotz vollständiger Suppression der Säurebildung mit PPI Husten auslösen kann.4

Bekannt ist eine starke Placebowirkung der PPI-Gabe bei refluxassoziiertem Husten. Am effektivsten wirken Lebensstilveränderungen und Gewichtsreduktion. Zudem wird die Hochlagerung durch Hochstellen des Bett-Kopfendes empfohlen, wie in den amerikanischen Leitlinien und jetzt auch in der deutschen DGP-Leitlinie (E27).

Zur medikamentösen Säurehemmung über einen Zeitraum von 3 Monaten und zusätzlich zu nicht medikamentösen Maßnahmen wird geraten, wenn neben dem chronischen Husten eine ösophageale Refluxsymptomatik besteht.

Referenzen:
1. Kardos P et al. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zur Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit Husten.Pneumologie 2019;73(3):140-77
2. Muccino D, Green S. Update on the clinical development of gefapixant, a P2X3 receptor antagonist for the treatment of refractory chronic cough. Pulm Pharmacol Ther 2019;pii:S1094-5539(18)30268-2. doi:10.1016/j.pupt.2019.03.006
3. Kahrilas PJ et al. Chronic Cough Due to Gastroesophageal Reflux in Adults: CHEST Guideline and Expert Panel Report. Chest 2016;150(6):1341-60. doi:10.1016/j.chest.2016.08.1458
4. Kahrilas PJ et al. A Causal Relationship Between Cough and Gastroesophageal Reflux Disease (GERD) Has Been Established: a Pro/Con Debate. Lung 2014;192(1):39-46. doi:10.1007/s00408-013-9528-7

Abkürzungen:
ACCP = American College of Chest Physicians
AWMF = Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
DEGAM = Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
DGP = Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
PPI = Protonenpumpeninhibitoren
RCT = randomisierte kontrollierte Studie