Private Equity: Dämon oder Problemlöser?

Die Debatte um Investoren-MVZ in der Trägerschaft von Private Equity Gesellschaften wird kontrovers und teils angstbesetzt geführt – um eine Klärung bemühten sich die Organisatoren des jüngsten Fachärztetages.

Private Equities in MVZ: Gefährdung für Berufs- und Therapiefreiheit?

Das Engagement von Private Equity Organisationen in MVZ sind eine Gefährdung für Berufs- und Therapiefreiheit, es konzentriert auf attraktive Ballungsräume und präferiert technikorientierte Fächer und vernachlässigt die Versorgung in strukturschwachen Gebieten. Aufgrund ihrer Gewinnorientierung entziehen sie der Versorgung Mittel eines solidarischen Krankenversicherungssystems und verlagern sie ins Ausland. Betriebswirtschaftliche Rationalität führt zu einer Fließband-Produktion ökonomisch attraktiver Leistungen, die nicht mehr die ganze Breite eines Fachgebiets abdecken und darum auch eine Gefahr für die Weiterbildung des ärztlichen Nachwuchses sind.

So artikulierte Dr. Cornelius Weiß, einer der Sprecher des Bündnisses junger Ärzte, seine Befürchtungen, wenn Investoren-MVZ weiter auf dem Vormarsch bleiben. Vor allem das Gewinn(-maximierungs-)interesse der Investoren scheint eine weit verbreitete Furcht unter Ärzten auszulösen – eine Angst, die auf einem simplen statischen Wirtschaftsmodell basiert, das nur als Nullsummenspiel funktioniert. 

Dem hält Dr. Kaweh Schayan-Araghi, Ärztlicher Direktor und Gründer der Artemis-Augenkliniken, entgegen: Ohne die Organisationsform MVZ wäre die ambulante ärztliche Versorgung in Deutschland gar nicht mehr zu leisten. Private Equity finanziere Investitionen, die in die Versorgung fließen und dort einen Mehrwert schaffen. 

Auf diesen Aspekt weist auch Dr. Michael Müller, Vorsitzender des Vereins Akkreditierte Labore, hin: Vor allem die Defizite der Investitionsfinanzierung von Krankenhäusern durch die Länder erforderten alternative Quellen, um medizinische Einrichtungen leistungsfähig zu halten und für Ärzte Arbeitsbedingungen zu schaffen, in denen sie ihren spezifischen beruflichen Verpflichtungen erfüllen können. 

Bestätigt wird dies von Marcus Steffen Bauer, Senior-Berater der Unternehmensberatung PriceWaterhouseCoopers: Im Klinik- und Pflegesektor haben Privatinvestoren einen Marktanteil von jeweils rund 40 Prozent, im Rehabereich sogar über 50 Prozent, weit weniger jedoch bislang in der vertragsärztlichen Versorgung. Inzwischen beginne Private Equity aber darüber hinaus mit Investitionen in der hausärztlichen Versorgung, auch in ländlichen Strukturen. "Risikokapital ist notwendig, längerfristig die Basisversorgung zu sichern und auch um Innovationen und die Digitalisierung zu finanzieren." 

"Es kommt auf die Arbeitsbedingungen an"

"Zentrale Frage sind nicht die Eigentumsverhältnisse, sondern die Arbeitsbedingungen", stellt der Freiburger Medizinethiker Professor Giovanni Maio klar und begründet dies mit dem Status des Arztes als freier Beruf:

Er beruht auf Könnerschaft und Wissen.

Dies muss allerdings, so Maio, kein Widerspruch zum Engagement von Private Equity beispielsweise in MVZ sein. Vielmehr komme es darauf an, dass der Arzt seinen Beruf ohne Repressions- oder Korruptionsrisiken erfüllen kann. Maio: "Das muss die Gebührenordnung hergeben." Will sagen: Ähnlich wie ein Beamter sollte ein Arzt von wirtschaftlichen Sorgen freigestellt sein, um seine Verpflichtungen gegenüber Patienten entsprechend seiner Professionalität zu erfüllen.  

Wie einflussreich ist Private Equity?

Ein Risiko könnte natürlich entstehen, wenn Private Equity-Gesellschaften eine solche Marktstärke erreichen würden, dass Ärzten nur noch begrenzte Wahlmöglichkeiten in der Art der Berufsausübung hätten. Die mitunter behaupteten Oligopolisierungs- und Monopolisierungstendenzen gibt es de facto nicht. Laut einem Gutachten im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums wird der Anteil der MVZ (nach Behandlungsfällen und Honoraranteilen) in der zahnärztlichen Versorgung auf 0,5 bis 0,9 Prozent, in der vertragsärztlichen Versorgung in Bayern – einer MVZ-Hochburg – auf 0,5 bis 1 Prozent beziffert. Auf diesem niedrigen Ausgangsniveau ist allerdings das Wachstum überdurchschnittlich. 

Die politischen Konsequenzen? Entgegen markigen Äußerungen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in Boulevardmedien zur Zukunft der MVZ fällt die Beurteilung der Lage durch die Spitzenbeamten des Ministeriums zurückhaltend aus: Verwiesen wird darauf, dass ein Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz der Länder vom 23./23. Juni 2022, das BMG zu bitten, über das ärztliche Berufsrecht ein Investitions- und Gründungsrecht zu untersagen, seit September von den Ländern nicht mehr aufgegriffen worden ist. Das BMG steht auf dem Standpunkt, dass "erhebliche Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes bestehen". Gleichwohl werde vom BMG ein Vorschlag für weitere Regulierungen von MVZ erarbeitet.  

Diese könnten darauf hinauslaufen, mit einem Register Transparenz über Eigentumsverhältnisse zu schaffen und über ein Monitoring des Leistungsgeschehens auch die jeweilige Marktbedeutung einschätzen zu können. Das könnte auch im Interesse der Private-Equity-Investoren sein, um Legendenbildungen entgegenzuwirken. Sie gehen teilweise noch weiter und fordern – Bürokratie hin oder her – den Ausbau von Qualitätssicherung und -transparenz in der ambulanten Versorgung. Damit könnte der Vorwurf der Rosinenpickerei widerlegt werden.

Und die Sorge des jungen Arztes Cornelius Weiß, dass MVZ kein Interesse an der Weiterbildung von Ärzten haben? Stimmt auch nicht, sagt der Augenarzt Dr. Schayan-Araghi: Allein in seinem Unternehmen sind aktuell 64 Ärzte in Weiterbildung beschäftigt. Beim Laborarzt Dr. Michael Müller in Berlin sind es vier.