Klagen gegen Ärzte: Das Damoklesschwert über dem Kopf

Geburtskomplikationen sind relativ selten, doch entsprechende Gerichtsverhandlungen nicht. Ein Arzt berichtet aus eigener Erfahrung über die konstante Sorge, für einen angeblichen Kunstfehler verklagt zu werden.

Ich mache mir Sorgen, verklagt zu werden

Übersetzt aus dem Italienischen

Nachdem ich gerade von einem langen Dienst im Krankenhaus zurückgekehrt bin, fragt mich meine Frau, wie es mir geht. "Ich mache mir Sorgen", antworte ich. Ich erzähle ihr von einer Entbindung, die schiefgelaufen ist. Das Neugeborene wurde über eine Stunde lang wiederbelebt – doch ohne Erfolg. Ich erzähle ihr, dass ich alles getan habe, was möglich war; dass ich sicher war, nichts vergessen zu haben; dass ich keine Fehler gemacht habe; dass ich mich an die Richtlinien gehalten habe. Ich sage ihr auch, dass ich alles in die Krankenakte eingetragen habe und dass alles ordnungsgemäß abgeschlossen zu sein scheint.

Trotzdem verbringe ich den Rest des Abends damit, mich über eine Situation zu sorgen, die erst in den kommenden Tagen eintreffen könnte. Denn ich weiß, dass diese medizinische Akte an die Carabinieri (die italienische Polizei) gehen wird, und wahrscheinlich wird ein Richter entscheiden, ob das, was ich zusammen mit meinen Kollegen getan habe, ein Verbrechen war oder nicht.

"Ich mache mir Sorgen," wiederhole ich, "Ich werde mit ziemlicher Sicherheit verklagt werden. Denn ein toter Säugling im Kreißsaal wird uns vor Gericht bringen, so ist das nun mal."

Nach einiger Zeit des Schweigens erwidert sie: "Es ist seltsam, dass du besorgt bist. Nach dem, was du heute erlebt hast, hätte ich erwartet, dass du traurig, erschöpft, frustriert oder wütend bist. Du hast eine Stunde lang versucht, einen toten Säugling zu retten. Du hast mit den betroffenen Eltern gesprochen. Eine ganze Familie war bereit, für das Neugeborene eine Geburtstagsfeier zu planen; jetzt muss sie eine Beerdigung vorbereiten. Wie kann es sein, dass das erste – und scheinbar einzige – Gefühl, das du gerade empfindest, die Sorge um einen Prozess ist, der noch gar nicht existiert? Und selbst wenn es dazu kommen sollte, können sie doch nicht erklären, dass du und deine Kollegen eure Arbeit nicht getan habt und dass das Kind hätte gerettet werden können?"

Ein unausweichlicher Tod

Bericht: Erste Schwangerschaft im Alter von 36 Jahren, normale Schwangerschaft, unkomplizierter Schwangerschaftsdiabetes, der durch eine Ernährungstherapie kontrolliert wird. Regelmäßige spontane Wehen. Nach dem Austritt des Kopfes gelingt es nicht, die Schultern zu lösen. Sofortiges Ersuchen um Unterstützung durch das leitende Personal, Anforderung eines Kinderarztes und eines Anästhesisten im Kreißsaal; Anwendung geburtshilflicher Manöver gemäß Protokoll. 8 Minuten nach dem Austritt des Kopfes Extraktion des atonischen Fötus ohne Vitalzeichen.

Ich lasse noch einmal die Ereignisse des Tages Revue passieren. Es gibt nichts, was ich hätte anders machen können oder sollen. Das Protokoll der Hebamme hätte vielleicht besser geschrieben werden können, aber die Daten waren alle vorhanden; die Abläufe und Zeiten notiert. Ich persönlich hätte noch etwas mehr hinzugefügt, um den Bericht übersichtlicher zu gestalten. Es gibt Leute, die meinen, dass es einem schadet, wenn man zu viel in die Krankenakte schreibt. Ich hingegen denke, dass man dadurch entlastet wird.

Es erscheint ihr seltsam, dass ich nicht mit gebrochenem Herzen über den Kummer zweier Eltern, die gerade ihr Kind verloren haben, nach Hause gekommen bin. Ich bin seit Jahren in diesem Beruf tätig und habe, ob zu Recht oder zu Unrecht, einen gewissen Schutzpanzer gegenüber dem Schmerz anderer entwickelt. Die Wiederbelebung eines Säuglings lässt mich natürlich nicht gleichgültig, aber ich bin an tragische Ereignisse gewöhnt.

Frustration, Kummer, Wut, Mitgefühl und Sorge sollten die Essenz meiner inneren Aufruhr sein. Aber nein, ich mache mir nur Sorgen, dass ein Richter mich zu einer Entschädigung verurteilen wird, die meine Familie in die Knie zwingen würde. Ich bin sicher, dass meine Kollegen mit den gleichen Gedanken kämpfen wie ich. Ein Gynäkologe, ein Kinderarzt, zwei Anästhesisten, drei Hebammen, alle, die jetzt in diesem Raum waren, teilen die gleiche Sorge wie ich – da bin ich mir sicher.

Es mag absurd erscheinen. Ich habe alles getan, was ich hätte tun können und sollen, wie meine Kollegen auch, aber ich habe Angst, dass meine Handlungen von einem Richter in Betracht gezogen werden und dass vielleicht eine Kleinigkeit, eine Formalität, vielleicht ein Satz, der nicht klar in der medizinischen Akte steht, gefunden wird, der mein Leben und das meiner Lieben zerstören könnte. Wahrscheinlich wird der Tod dieses Kindes schon morgen in der Zeitung stehen, die Nachrichten werden darüber berichten, die Kommentare in den sozialen Medien werden hetzen und fluchen. Es wird als Kunstfehler angesehen, denn ein Säugling am Ende einer physiologischen Schwangerschaft kann nicht sterben. Sicherlich hat jemand etwas falsch gemacht, und derjenige, der etwas falsch gemacht hat, wird dafür bezahlen müssen.

Mir ist klar, dass ich kein Vertrauen in diejenigen habe, die diese Geschichte erzählen und kommentieren werden, und ich habe auch kein Vertrauen in den Richter, der mein Handeln und das meiner Kollegen beurteilen wird. Nicht einmal die Großeltern im Warteraum, die wütend waren und bereits über Klagen und das Gericht sprachen, hatten Vertrauen in das, was wir getan hatten, in unsere Fähigkeiten und Professionalität, das ist mir klar.

Die Angst vor Gerichtsverfahren

Zweifelsohne muss die Situation, die zum Tod eines Neugeborenen führt, untersucht und kontrolliert werden. In erster Linie müssen die Gesundheitsbehörden ermitteln, um die Fakten zu analysieren und sicher zu sein, dass der Tod nicht hätte vermieden werden können. Ich bin nicht schockiert, dass eine Ermittlungsakte angelegt wird. Das ist nicht das Problem.

Leider besteht heutzutage bei jeder ärztlichen Handlung die Gefahr einer gerichtlichen und gesellschaftlichen Verurteilung, vor allem, wenn der Druck der sozialen Medien und der Politik ein Klima des Misstrauens und der Schuldzuweisung schürt. Das Damoklesschwert, das über den Köpfen von uns Ärztinnen und Ärzten schwebt, ist in diesen Zeiten zunehmend scharf und schwer und an einem dünnen und schlanken Rosshaar befestigt. Die so genannte Defensivmedizin durchdringt unser aller Denken und Handeln, mit schwerwiegenden Folgen für die Qualität der Patientenversorgung, das Management der Gesundheitssysteme und auch für unser Leben.

Es gibt mehrere Lösungsansätze für das Problem, aber grundlegend ist meiner Meinung nach die Wiederherstellung des Vertrauensverhältnisses, vor allem zwischen Arzt und Patient. Ich bin davon überzeugt, dass korrekte Information, Aufrichtigkeit und Transparenz dabei grundlegend sind. Ich frage mich, ob in den neun Monaten der Schwangerschaft jemals mit den Eltern, denen ich heute im Kreißsaal begegnet bin, ein klares Wort gesprochen wurde – auch über die Risiken, die mit der Geburt verbunden sind.

Ich glaube nicht, dass der Hausarzt oder der Gynäkologe das getan haben, ich glaube nicht einmal, dass sie im Geburtsvorbereitungskurs darüber gesprochen haben. Doch eine Geburt ist kein risikofreies Ereignis, auch wenn es in den Zeitschriften oder sozialen Medien so dargestellt wird. Vielleicht liegt das Problem darin, dass die entscheidenden Informationen über Risiken gerade in Zeitschriften und sozialen Medien gesucht werden – und nicht bei den Ärzten.

Zwei Millionen Säuglinge sterben jedes Jahr an Geburtskomplikationen

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation gibt es jedes Jahr fast 2 Millionen Totgeburten, d. h. alle 16 Sekunden (Anmerkung der Redaktion: die WHO empfiehlt, den Begriff "Totgeburt" zu verwenden, um einen Fötus zu definieren, der ohne Lebenszeichen entbunden oder der Mutter entnommen wird und ein Gestationsalter von 28 Wochen oder mehr hat). Mehr als 40 % aller Totgeburten finden während der Wehen statt. Die alarmierendsten Zahlen sind in den Entwicklungsländern zu verzeichnen. So ist das Risiko eines Todes während der Geburt in Afrika 16 Mal höher als in den westeuropäischen Ländern.

Laut dem Euro-Peristat-Bericht 2015-2019 lag die mittlere Totgeburtenrate in oder nach der 24. Schwangerschaftswoche in 32 europäischen Ländern im Jahr 2019 bei 3.2 pro 1000 Geburten, mit einem Interquartilsbereich (IQR) von 2,8 bis 3,9 pro 1000 Geburten und einer Spanne von 1,8 (1,8 in Estland; 2,0 in Slowenien) bis 4,7 (4,7 in Zypern; 4,4 in Belgien; 4,3 in Ungarn; 4,2 in der Slowakei und Wales) pro 1000 Geburten. 

Die Totgeburtenraten sind niedriger, wenn ein Schwellenwert von 28 Wochen angewendet wird (Median 2,5 pro 1000 Geburten mit einem IQR von 2,2 bis 3,0 pro 1000 Geburten). Die Zahl der Totgeburten in oder nach der 24. Schwangerschaftswoche ist im Vergleich zwischen 2019 und 2015 in den meisten Ländern entweder leicht zurückgegangen oder hat sich auf demselben Niveau eingependelt. Die Totgeburtenraten in oder nach der 28. Schwangerschaftswoche sind in Europa von 2015 bis 2019 ebenfalls leicht zurückgegangen.

In Europa ist es also ein seltenes Ereignis, ein Neugeborenes im Kreißsaal zu verlieren. Unwahrscheinlich, aber möglich. Wie sehr sich die Gesundheitssysteme und die medizinisch-geburtshilflichen Fähigkeiten auch verbessern mögen, das Risiko eines solchen Ereignisses lässt sich nicht auf null reduzieren. Auch wenn es erst seit kurzem Maßnahmen gibt, die darauf abzielen, die Mütter- und Neugeborenensterblichkeit und vermeidbare Totgeburten weltweit auf Null zu reduzieren, ist es logisch, dass sie konkrete Ergebnisse bringen werden, insbesondere in Ländern mit hohem Einkommen. Aber es wird immer einen – wenn auch geringen – Prozentsatz an unvermeidbaren Todesfällen im Kreißsaal geben.

Die Bedeutung einer guten Arzt-Patienten-Kommunikation

Wir leben in einer Gesellschaft, in der man davon ausgeht, dass ein im Kreißsaal sterbendes Säugling immer und ausschließlich ein medizinischer Fehler ist, ein Symptom für einen Kunstfehler. Die Familie will Gerechtigkeit, die Richter fällen Urteile, die Medien suchen nach Schlagzeilen, das Gesundheitspersonal zittert, die Unwissenden und Kommentatoren schäumen vor Wut.

Ich frage mich, wessen Aufgabe es ist, künftige Eltern über die Risiken einer Geburt aufzuklären. Ich frage mich, wer die Gemeinschaft tatsächlich darüber informieren soll, was getan wird, um die Zahl der Totgeburten zu senken. Ich frage mich, wer mit der Faust auf den Tisch hauen muss, damit die Politik sich mit diesem Thema befasst und was damit zusammenhängt, z. B. in Bezug auf die psychologischen Kosten für die Familien. Ich frage mich, was die Beamten, die Demonstrierende anführen, um gegen die Schließung von Geburtshäusern zu protestieren, in denen nur eine sehr geringe Zahl von Säuglingen pro Jahr zur Welt kommt, über Gesundheit wissen.

Ich wundere mich auch über den Gedankengang meiner Frau: Ein Arzt, der sich gerade um einen toten Säugling gekümmert hat, sollte nur Trauer, Wut und Frustration empfinden, nicht aber die Sorge um ein mögliches Gerichtsverfahren.