Dieser Tage bin ich sehr stolz: Ich bin für den German Medical Award als “Medizinerin des Jahres” nominiert. Eine Jury entscheidet nun über die tatsächliche Vergabe des Awards. Der Schirmherr des Awards ist Karl Josef Laumann, Landesgesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen.
Abgesehen von meiner Freude über die Ehre, die mit der Nominierung verbunden ist, freut mich die gesellschaftliche Anerkennung der Themen, für die ich mich ausdrücklich einsetze. Das ist natürlich einmal die Organspende und zum anderen die Unterstützung der Frauen in der Medizin. Beide Anliegen werden mit der Nominierung offenbar gesehen und wertgeschätzt. Das ist toll!
Über die Nominierung war ich sehr überrascht. Man arbeitet ja so vor sich hin, ist von seinen Themen und Ideen überzeugt und will sie gesellschaftlich voranbringen. Wenn man dann sieht, dass andere Menschen das sehen, schätzen und unterstützen, ist das ein schönes Gefühl.
Als gesellschaftspolitisch engagierte Medizinerin beschäftigen mich mehrere Themen. Das ist naturgemäß die Entscheidung zur Organspende, denn ich bin schließlich Transplantationsmedizinerin und weiß ganz hautnah und praktisch, welchen Segen Transplantationen für unsere Patienten bringen können.
Mein zweites Herzensthema ist Vielfalt und Interkulturalität im Gesundheitswesen. Dabei betone ich immer, dass es nicht um “Diversität” gehen kann. Denn divers bedeutet: anders. Und ich will ja gerade nicht die Gegensätze betonen, die Unterschiede hervorheben und damit sagen: Es gibt ein “Normal” und ein “Anders”. Mir geht es tatsächlich um echte Vielfalt. Denn die tut unserem Gesundheitswesen gut.
Und das dritte sind Frauen in der Medizin. Ich sehe mich da in einer Vorbildfunktion. Das heißt, ich unterstütze die neue Generation auf ihrem Weg, um voranzukommen und sich zu positionieren. Mich hat damals mein Chef, Professor Jochen Werner, an die Hand genommen und gefördert. Ich bin nicht so krass feministisch, dass ich denke, wir Frauen müssen das gegen die Männer hinkriegen. Im Gegenteil: Wir können nur gemeinsam etwas bewegen. In der Medizin brauchen wir beide Sichtweisen. Auch hier geht es um Vielfalt - sei es bei berufspolitischen Themen oder auch bei medizinischen Fragen.
Zum Beispiel kann ein Mann nicht wissen, was bei Endometriose alles an Problemen dran hängt. Eine Frau kann da tiefergehend Symptome erkennen. Ein Mann kann sich auch nicht vorstellen, welche Belastung Periodenschmerzen in den Alltag einbringen. Genauso, wie wir Frauen nicht wissen, wie sich eine vergrößerte Prostata für den Mann anfühlt.
Ein besonders ärgerliches Beispiel in der Berufspolitik ist: Wir Frauen dürfen nach der Entbindung zwei Monate nicht arbeiten. Das ist Gesetzeslage. Das dürfen wir nicht selbst entscheiden. Hier schreitet das Gesetz in unser Privatleben ein. Und diese zwei Monate werden uns von der Facharztausbildung abgezogen. Was soll das? Das ist maximal ungerecht. Ich denke, das Problem ist für Frauen eher erkennbar als für Männer. Darum müssen wir Frauen uns hier wehren.
Auch deshalb betreue ich aktuell drei Mentees ehrenamtlich - zwei Assistenzärztinnen aus der Pädiatrie und aus der Inneren, sowie eine Studentin.
Sie haben mich zum Teil selbst gesucht und gefunden. Ich begleite sie auf ihrem Weg, sich im Gesundheitswesen zu positionieren, zeige ihnen, wie es läuft, damit sie ihren Aufstieg gut planen und organisieren können. Dabei geht es sehr viel um Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ich habe zwei Kinder, acht und elf Jahre alt, und weiß daher, wie es gehen kann. Ich bin also mitten dabei, Karriere und Familie zu verbinden.
Ich sage immer: Es ist anstrengend, aber es ist machbar! Ein Kind sollte uns Frauen nicht aufhalten! Es ist alles organisierbar. Kinder brauchen Fürsorge und Zeit, aber auch wir Frauen brauchen unsere erfüllende Arbeit. Ich arbeite für Menschen, die eine Hoffnung haben, weiterleben zu dürfen. Das bedeutet mir sehr viel.
Wenn junge Frauen mich fragen: wie geht das?, sage ich: Es ist viel, viel Organisation. Aber wenn wir es wirklich wollen, ist es umsetzbar. Wir müssen auf nichts verzichten. Und auch bei den Männern ist es ja nicht mehr so, dass sie sich allein der Arbeit widmen können. Die Zeiten, in denen ihnen zu Hause der Rücken komplett frei gehalten wird, gehen zu Ende. Auch sie müssen sich zwischen Beruf und Familie organisieren. Und das ist gut so. Das gibt uns Frauen Freiräume.
Ich persönlich mache es so, dass ich die Zeit außerhalb der Arbeit komplett der Familie widme. Und im Vertrauen: Ich habe einen tollen Mann! Er hat sich und seine Arbeit unserem Familienleben bewusst angepasst. Wir haben das damals diskutiert und gemeinsam entschieden, dass er auf eine leitende Funktion verzichtet und als Selbständiger flexibel arbeitet, sodass ich Karriere machen kann.
Mein allerwichtigster persönlicher Rat an junge Medizinerinnen ist daher: Augen auf bei der Partnerwahl! Man braucht einen Partner, der den Weg verlässlich mitgeht.
Und auf dem Berufsfeld ist mein Tipp: Frühzeitig Strukturen mitgestalten und sich nicht nur als Angestellte sehen, sondern als Teil des Gesundheitswesens. Alles wird leichter, wenn man mitgestaltet, auf der Station, in der Niederlassung, sei es im Management oder in der Politik. Wer immer nur abarbeitet, kann nicht über den Tellerrand hinausgucken, kann seinen Weg nicht planen und gestalten. Wenn Strukturen nicht passen, muss man aktiv versuchen, sie zu ändern.